Offener Brief an Bundesrätin Sommaruga
Diesen offenen Brief haben alt Nationalrat Peter Weigelt, Präsident, und Dr. Philipp Gut, Geschäftsführer des Abstimmungskomitees «Mediengesetz NEIN», am 19. Januar 2022 an Frau Bundesrätin Sommaruga verschickt.
Sehr geehrte Frau Bundesrätin
In der letzten Woche haben Sie in fast allen Zeitungen der Schweiz die Werbetrommel für das Massnahmenpaket zugunsten der Medien gerührt. Das ist Ihr gutes Recht, tragen Sie doch die Verantwortung für diese Vorlage. Was wir aber nicht akzeptieren können, ist, wenn von bundesrätlicher Seite Fakten und Zahlen präsentiert werden, die so nicht korrekt sind.
Auf die Frage, wer von den neuen Subventionen profitiert, haben Sie wörtlich gesagt: «Ich halte mich an die Fakten. Die indirekte Presseförderung wird künftig zu rund 75 Prozent an kleinere und mittlere Verlage gehen. Das wissen wir, weil diese Regelung bereits während der Coronahilfsmassnahmen galt.»
Bei allem Respekt, Frau Bundesrätin: Diese Aussage ist eine völlige Verdrehung der Tatsachen. Fakt ist: Die neuen Bestimmungen des Massnahmepakets treten erst nach der Volksabstimmung vom 13. Februar in Kraft. Mit den Coronahilfsmassnahmen haben sie nichts zu tun. Das neue Gesetz, über das wir am 13. Februar abstimmen, bevorteilt nun aber bei der indirekten Presseförderung ganz gezielt die Grossverlage, wie folgende Beispiele zeigen:
• Mit dem neuen Gesetz wird die bisher bestehende Auflagen-Obergrenze von 40’000 Exemplaren für die Posttaxenverbilligung aufgehoben. Damit würden neu auch die grossen Tageszeitungen wie der Tages-Anzeiger, der Blick oder die NZZ mit Steuergeldern subventioniert. Aus demselben Topf, der bis heute die kleinen und mittleren Verlage gestützt hat.
• Neu werden zusätzliche 40 Mio. Franken als indirekte Presseförderung für die Früh- und Sonntagszustellung bereitgestellt. Da es diese Millionen-Subventionen bisher noch gar nicht gibt, können sich diese auch nicht bei den Coronahilfsmassnahmen bewährt haben. Richtig ist, dass diese 40 Mio. fast ausschliesslich zu den Grossen gehen, da kein einziger kleiner Verlag eine Sonntagszeitung herausgibt und in der Regel auch keine Frühzustellung hat.
Fazit: Allein schon diese zwei Beispiele – und es gäbe noch mehr – beweisen, dass Ihre Aussage, die indirekte Pressförderung von total 90 Mio. werde künftig zu 75 Prozent an kleine und mittlere Verlage gehen, den Fakten nicht standhält. Ja, mehr noch: Sie ist eine Irreführung des Stimmvolks.
Auch bei der direkten Förderung kassieren die Medienkonzerne Ähnlich verhält es sich bei der direkten Förderung der Online-Medien mit 30 Mio. Franken. Das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) selbst hat in einem Bericht an die vorberatende Kommission des Parlaments ein Verhältnis von 54% zugunsten der Grossen prognostiziert, womit auch hier die Mehrheit des Steuergeldes nicht bei den kleinen und mittleren Verlagen landet. Der dazu vom BAKOM skizzierte Vollzugsmechanismus funktioniert wie ein Selbstbedienungsladen für die Medienkonzerne:
• Stellt ein Verlag seine Zeitung auch als E-Paper zur Verfügung (und das machen alle), werden 40% der Zeitungs-Abo-Einnahmen dem Online-Ertrag zugeschlagen. Durch diesen Trick werden Verlage mit grossen Zeitungs-Auflagen über die Online-Förderung zusätzlich subventioniert.
• Der Höhepunkt der gezielten Bevorzugung der Grossen ist die Tatsache, dass beispielsweise in der deutschsprachigen Schweiz nur Online-Angebote subventionsberechtigt würden, die über 100’000 Franken Publikumserträge erwirtschaften. Diese Umsatz-Limite ist für unabhängige, kleine, regionale Plattformen nur schwer oder gar nicht zu erreichen.
Frau Bundesrätin, wie Sie sehen, widerspricht das «Massnahmenpaket zugunsten der Medien» an allen Ecken und Enden Ihrer vielfach wiederholten Behauptung: «Diese Vorlage machen wir in erster Linie für die kleinen und mittleren Verlage». Wir sind erschüttert, dass den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern offensichtlich Zahlen und Fakten präsentiert werden, die mit der geplanten Umsetzung der Vorlage wenig bis nichts zu tun haben.
Im Sinne eines demokratischen Abstimmungskampfes erwarten wir die Rückkehr zu einer fairen und sachlichen Debatte.
Mit freundlichen Grüssen
Im Namen des Abstimmungskomitees
«Mediengesetz NEIN» Peter Weigelt, a. Nationalrat, Präsident
Dr. Philipp Gut, Geschäftsführer