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Die Übeltäter sitzen in Bern

Ich bin gegen den Rahmenvertrag. Deshalb habe ich etwas gegen Brüssel. Denn die Brüsseler Bürokraten haben unseren armen Diplomaten in harten Verhandlungen zum «Rahmenvertrag» eine absolut unakzeptable Dreifachmixtur aufs Auge gedrückt:

Erstens die Pflicht zur dynamischen Übernahme von EU-Recht, Zweitens eine erweiterte Guillotine-Klausel, und vor allem drittens die zwingende Unterstellung unter den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Wenn das Gericht der Gegenseite am Schluss darüber entscheiden kann, was in Zukunft gilt, muss ich keinen Vertrag mehr machen. Dem sagt man Unterwerfung.

 

Täuschungsmanöver
Seit kurzem habe ich mehr gegen Bern als gegen Brüssel. Die Übeltäter sitzen nämlich dort. Im Tages-Anzeiger vom 10. September schreibt Rudolf Strahm, der ehemalige SP-Nationalrat, zum Thema «Warum alle zu Europa schweigen»:

«Staatssekretär Yves Rossier schlug 2013 vor, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) als Schiedsinstanz einzusetzen. Die EU hatte zuvor auch den Efta-Gerichtshof als Variante ins Spiel gebracht. Doch Rossiers versteckte Agenda war auf den EU-Beitritt fixiert. Während der heissen Phase wurde auch nie über Kreuzkonzessionen – also über Gegenforderungen der Schweiz – verhandelt».

Dieses Täuschmanöver hat Rossier nicht ohne Zustimmung seines europhilen Vorgesetzten Didier Burkhalter inszeniert. Und der hat bestimmt das Einverständnis von mindestens drei Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat – Doris Leuthard, Eveline Widmer-Schlumpf, Simonetta Sommaruga, Johann Schneider-Ammann, Alain Berset, Ueli Maurer – eingeholt.

Die zwei SP-Mitglieder des Bundesrates will ich von der Kritik ausnehmen. Die SP ist transparent. Sie befürwortet den EU-Beitritt. Gemäss Parteiprogramm von 2010/12 «mündet der bilaterale Weg in der Sackgasse». Die Partei schrieb bereits 2010: «Die SP steht für die rasche Einleitung von Beitrittsverhandlungen mit der EU ein.» Ich finde diese Politik zwar grundfalsch, aber die Partei ist transparent und damit politisch korrekt.

Weder transparent noch politisch korrekt waren dagegen der Bundesrat und sein Beamtenheer zu Bern. Sie haben so getan, wie wenn sie die «Bilateralen retten» wollten, dabei wollten sie den Weg in die EU vorbereiten. Und wollen das wohl noch immer.

 

Der Übeltäter sitzt auch in Zürich
Ein mächtiger Mitspieler zum Durchdrücken des Rahmenvertrags sitzt in Zürich an der Hegibachstrasse 47. Economiesuisse, der selbsternannte Dachverband der Schweizer Wirtschaft, vertritt «rund 100’000 Unternehmen aus allen Branchen und Regionen der Schweiz, die etwa zwei Millionen Menschen Arbeit bieten». Die Interessen der Schweiz vertritt er nicht, höchstens die Interessen grosser, multinationaler Konzerne.

Economiesuisse befürwortet das ausgehandelte Rahmenabkommen. Es sei ein gutes Abkommen, es «erhöhe die Rechtssicherheit für hiesige Unternehmen», «es verbessere die Position der Schweiz im Falle von Streitigkeiten oder rechtlichen Auseinandersetzungen mit der EU». Die erste Aussage stimmt: Dank Rechtssicherheit gälte immer das Recht der EU. Die zweite Aussage ist ein Witz. Ein Witz ist auch die Behauptung, «eine öffentliche Umfrage habe gezeigt, dass eine Mehrheit der Schweizer Stimmberechtigten das ausgehandelte Rahmenabkommen befürworte». Das glaubt selbst an der Hegibachstrasse 47 kein Mensch.

 

Strippenzieher bei den eidgenössischen Wahlen
Economiesuisse bietet für die kommenden Wahlen Kandidaten «Orientierungshilfen und Standortsbestimmungen» an, und zwar mit Hilfe einer Umfrage (www.elections.ch). Economiesuisse will damit helfen «die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts und somit den Wohlstand in der Schweiz zu steigern», und «will die Schweiz wieder an die Weltspitze» zurückbringen.

Im Fragebogen von economiesuisse ist die Mehrzahl der 34 Fragen methodisch korrekt, mit Ausnahme derjenigen, welche die EU betreffen. Die erste Frage zum Thema «Aussenwirtschaftspolitik» lautetet: «Befürworten Sie ein institutionelles Abkommen mit der EU, um die bilateralen Beziehungen erhalten und weiterentwickeln zu können?» Dies ist eine Suggestivfrage und damit eine Zumutung. Wer so frägt, ist nicht an der Antwort interessiert, sondern er beabsichtigt, seine Meinung einer anderen Person aufzudrängen. Diejenigen Kandidaten, welche die Frage mit «JA» beantworten, dürfen immerhin auf die Unterstützung von economiesuisse im Wahlkampf rechnen, vielleicht auch finanziell.

Die richtige Frage hätte gelautet: «Befürworten Sie ein institutionelles Abkommen mit der EU»? Dass damit «die bilateralen Beziehungen erhalten und weiterentwickelt» werden, wird ja von den Gegnern des Institutionellen Abkommens bestritten. Und was sollte ein SP-Mitglied auf die Frage antworten, das für ein institutionelles Abkommen ist, aber nicht zum Erhalt der Bilateralen, sondern als ersten Schritt zu einem EU-Beitritt? «Ja» wäre richtig für den ersten Teil der Frage, «Nein» für den Nachsatz.

 

Leidenschaftliche Schützenhilfe für fortschrittliche Köpfe
Ganz allein steht economiesuisse im Kampf um das Rahmenabkommen nicht. Ihre Position wird unterstützt von der Operation Libero. Die meist jungen Liberas und Liberos kämpfen leidenschaftlich für eine Schweiz, die «ein Chancenland und kein Freilichtmuseum» sein will. Es sei jetzt «Schluss mit der Museums-Romantik». Das Rahmenabkommen sei «gut und richtig». Bisher seien Streitigkeiten mit der EU «politisch ausgetragen worden, also nach Massgabe von Macht statt von Recht.»

Und dann folgt die Lügengeschichte: «Zukünftig hätten wir ein Schiedsgericht, das über solche Streitigkeiten rechtlich verbindlich entscheidet.» «Rechtlich verbindlich» könnte das Schiedsgericht gerade nicht entscheiden. In Artikel 10 Abs. 3 des Abkommens bezüglich «Verfahren bei Streitigkeiten» steht: «Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ist für das Schiedsgericht verbindlich.»

Bei der Lüge zum Schiedsgericht finden sich die etwas müde gewordene economiesuisse und die jugendlich-dynamische Operation Libero vereint. Und vielleicht auch sonst.

Hans Geiger

 

BRISANT vom 27. September 2019 als PDF-Dokument herunterladen

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Publiziert von Hans Geiger

Hans Geiger ist em. Professor für Bankwesen, wohnhaft in Weiningen ZH.

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12 Kommentare

  1. Ich hoffe sehr, dass es darüber noch eine Volksabstimmung gibt, sonst Ade mit der Selbstbestimmung.
    Economiesuisse und Libero, diese Freiheitsabschaffer, sollten verboten werden.

  2. Bitte kämpfen Sie weiter, Schweizerzeit und Freunde. Es gibt ja bald nur noch Lügen
    auf unserem Planeten.
    Ich bin froh, dass es noch gerade Schweizer gibt. Ihre Zeitung schätze ich sehr !

    • Der Artikel ist ganz in meinem Sinn geschrieben.
      Economie suisse und manche » Wirtschaftskapitäne » würden unsere einzigartigen demokratischen Rechte, die unsere Schweiz ausmachen, gern für wirtschaftliche Vorteile opfern!

      Dr. med. R. Scholer, Liestal

  3. Die «Wirtschaft» ist ein Werkzeug in den Händen des arbeitsamen Volkes um seinen Lebensunterhalt möglichst komfortabel zu bestreiten. Mit der von einer «unbekannten Minderheit» verordneten «Globalisierung» wird dies «umgepolt». Ins Gegenteil verdreht. In Zukunft sollen die Völker (pardon, die soll es ja nicht mehr geben), also «die Menschen», das Werkzeug der «Wirtschaft» werden. Dazu sollen die Grenzen fallen und die Nationen. Schluss mit Volkseigentum! Eine weltweite UNO «Unternehmensstruktur» soll die bestehende Organisationsstruktur nach «Völkern und ihren Nationen» ersetzen. Der Rahmenvertrag ist ein weiterer (erzwungener) kleiner Schritt auf diesem Weg. Frage: Wo sitzen in Zukunft die Bosse?

  4. Schweizer gebt Acht;die Saubande ,Krimminele BUNDES BERN wollen unsere Freheit,Eigenverandwortung der Schweizer an die EU Verkaufen;EU ist das 3te REICH;Da Sie in 2 WELTKRIGEN DIE SCHWEIZ nicht Einverleiben konnten,haben SIE die EU Erfunden und doch noch ganz Europa Eingenommen;Doch die Sweiz blieb all die JAHRE EIGENSTENDIG;
    und hat sich WIRDSCHAFTLICH IN DER WELD BEHAUBTET.
    Also Stimmt am 20.Oktober für das Ramen Abkommen NEIN:
    UND WÄHLT WIEDER Politiker die fürs Volk sind.

    • Herr Wichtermann. Sie können offensichtlich kaum lesen und sind schon gar nicht in der Lage, Ihr Hirngeschwurbel in einen einigermassen vernünftigen Text zu giessen. Sie haben von Politik und schon gar nicht von der EU-Idee eine leiseste Ahnung. Sie äffen bloss nach, was eine SVP und alle weiteren Rechtsaussenleute (wie hier) Ihnen vorsagen. Sie glauben tatsächlich, diese Millionäre und Milliardäre hinter diesen Parteien und unzähligen Gruppierungen stehen ein für Leute wie Sie? Ach Sie Armer! (Wenn Sie möchten, ich unterrichte Sie g r a t i s in Orthografie, Grammatik, Stilistik und – Gesellschaftspolitik.)

  5. Die Annahme des Rahmenvertrages mit Bruxelles bedeutet das Ende der Schweiz.
    Hoffentlich kommt dies nicht zustande.
    Aber, können wir noch auf unsere Vertreter bauen??
    Kaum,

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