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Gewaltentrennung: Gestorben!

Der Vorgang erregte Aufsehen: Im Februar 2020, nach den Landtagswahlen in Thüringen, wurde überraschend der FDP-Gegenkandidat gegen den seit Jahren regierenden Bodo Ramelow (Die Linke) zum Ministerpräsidenten gewählt – weil ihm neben FDP- und CDU- zusätzlich auch die AfD-Abgeordneten ihre Stimme gegeben hatten.

Die Wahl kam einwandfrei demokratisch zustande. Aber innert Stunden griff Bundeskanzlerin Angela Merkel drakonisch ein: Eine Wahl mit AfD-Stimmen komme unter gar keinen Umständen in Frage! Apodiktisch verlangte sie vom gewählten FDP-Mann, dem auch Merkels CDU zur Wahl verholfen hatte, den sofortigen Rücktritt. FDP-Chef Lindner doppelte in untertänigem Gefolge Merkels nach. Und tagelanges Medien-Trommelfeuer auf den Gewählten blieb nicht aus. Bis der demokratisch gewählte, mit allen Machenschaften weichgeklopfte FDP-Ministerpräsident frustriert aus dem Amt wich. Kommunist Ramelow, berüchtigt für seine lümmelhaften Ausfälle vor allem gegen bürgerliche Gegner, kehrte in sein Amt zurück – mit den Stimmen von CDU und FDP.

Die AfD reichte Verfassungsklage ein. Das deutsche Bundesverfassungsgericht musste – eher gezwungen als gewollt – ein Verfahren eröffnen. Angela Merkel, die in die Thüringer Wahl intervenierende Bundeskanzlerin wurde vorgeladen.

Wie reagierte sie auf die Vorladung? Sie lud – gemäss ihrer Behauptung einer eingespielten Tradition folgend – eine Abordnung des Bundesverfassungsgerichts zu feinem Abendessen und «zwanglosem Meinungsaustausch» ins Bundeskanzleramt ein. Auch Richterinnen und Richter aus jener Kammer, welcher sich Merkel als Beklagte zu stellen hat, wurden eingeladen.

Und – noch unglaublicher: Das Bundesverfassungsgericht, eigentlich – vor allem in laufenden Verfahren – neutrale, über allen Streitpunkten stehende Instanz, nahm die Einladung an, liess sich von der Bundeskanzlerin, zurzeit Beklagte vor dem gleichen Gericht, verwöhnen und hätscheln. Die Gewaltentrennung – unabdingbare Voraussetzung für funktionierende Demokratie – ertrank in der Schmeichelstrategie der Bundeskanzlerin.

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Publiziert von Ulrich Schlüer

Dr. Ulrich Schlüer ist Historiker, Verleger und alt Nationalrat des Kantons Zürich. 1979 gründete Dr. Ulrich Schlüer die «Schweizerzeit», welche als bürgerlich-konservatives Magazin für Unabhängigkeit, Föderalismus und Freiheit bis heute erfolgreich seine Leserschaft bedient.

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