Es geht um ESG, nicht zu verwechseln mit dem ESC-Hype. Der ESC (European Song Contest) kommt nächstes Jahr in die Schweiz, nicht aber nach Zürich. ESG (Environment, Social, Governance) ist schon in der Schweiz, vor allem auch auf dem Finanzplatz Zürich. Bei ESG geht es um die Weltverbesserung durch die Finanzinstitute in den Bereichen «Umwelt», «Soziales» und «Unternehmensführung».
Die Grundlagen für die ESG-Bewertung von Finanzdienstleistungen wurden in den letzten Jahrzehnten entwickelt. Ein Meilenstein war die Veröffentlichung der Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren (UN PRI) im Jahr 2006 durch die Vereinten Nationen. Die UN PRI sind freiwillig, aber von den Unterzeichnern wird erwartet, dass sie sich an diese Vorgaben halten und jährlich auch darüber berichten.
In der EU hat die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) neue Leitlinien zur Bewertung von ESG-Risiken veröffentlicht, die Ende 2024 rechtsverbindlich werden sollen. Geplant ist auch die Berücksichtigung von ESG-Risiken in den Eigenmittelvorschriften.
Angesichts der hohen moralischen Bedeutung von ESG muss diese Marke entsprechend vor missbräuchlicher Verwendung geschützt werden. Dazu wurde für die irreführende grüne Bezeichnung nichtgrüner Finanzprodukte das Schimpfwort «Greenwashing» erfunden, was fast so schlimm tönt wie «Geldwäsche». Gegen Greenwashing gibt es seit kurzem auch eine EU-Richtlinie.
ESG in der Schweiz
Die Schweizerische Bankiervereinigung sieht für unseren Finanzplatz eine weltweit führende Rolle bei der Steuerung von Finanzflüssen in nachhaltige Aktivitäten. «Sustainable Finance» ist eine strategische Hauptstossrichtung des Bankenverbandes. Die Bankiervereinigung hat Richtlinien zum Einbezug von ESG-Präferenzen und ESG-Risiken und zur Prävention von Greenwashing bei der Vermögensverwaltung erlassen, die für die Mitglieder verbindlich sind.
Die Banken haben im Anlagegeschäft «nachhaltige» Fonds aufgelegt. Kritiker beobachten, dass diese Fonds für die Banken vor allem profitabler sind als «Nicht-ESG Fonds». Eine Analyse des Investment Research Unternehmens Morningstar ergab, dass Investoren in ESG-Fonds deutlich höhere Gebühren von 0,61% für grüne Fonds bezahlen, gegenüber 0,41% für traditionelle Produkte.
Von der Schweizerischen Nationalbank verlangt die «SNB-Koalition Klima-Allianz Schweiz» eine «ökologische und gerechte Ausrichtung des Devisenportfolios der SNB, welches proaktiv und effektiv dazu beiträgt, dass die Treibhausgasemissionen in der Realwirtschaft bis 2025 um mindestens fünfzig Prozent und bis 2030 um mindestens siebzig Prozent gesenkt werden». Erfreulicherweise hat sich das SNB-Direktorium auf den Unsinn nicht eingelassen. Im Gegensatz hierzu scheint die nachhaltige Entwicklung Europas «auf der Grundlage eines hohen Masses an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität» für die Europäische Zentralbank eine grosse Bedeutung zu haben.
ESG im Depotauszug
Interessant ist die Auswertung eines Wertschriftendepots einer grossen Schweizer Bank. Darin werden die Anlagen in sechs Nachhaltigkeitsklassen eingeteilt. Alle achtzehn Schweizer Aktien im Wertschriftendepot sind «ESG affin». Diese Firmen verfolgen «explizit eine Nachhaltigkeitsstrategie» und sind «nicht in kontroverse Geschäftsfelder involviert». Dazu gehören der Zementhersteller Holcim, Swisscom, die Bank Julius Bär etc. Dagegen wird ein «UBS Equity Fund – Mid Caps Switzerland» als «nicht nachhaltig» eingestuft. Gemäss Erläuterung gäbe es in diesem Anlagefond Positionen, die «Abkommen zu kontroversen Waffen nicht einhalten oder ein stark kontroverses Geschäftsverhalten aufweisen».
Man muss nicht Experte sein, um einzusehen, dass diese ESG-Übung sowohl für den Anleger wie auch für das Klima und das Wohlergehen der Welt sinnlos ist.
ESG – sinnlose Klassifizierung
Gemäss Bankiervereinigung steht ESG für die drei Subkriterien: Umwelt (z. B. Energieverbrauch, Wasserverbrauch), Soziales (z. B. Attraktivität des Arbeitgebers, Management der Lieferketten) und Governance (z. B. Vergütungspolitik, Unternehmensführung). Das tönt eher nach einem säkularisierten theologischen Begriff als nach einem praktikablen Konzept: Wer ESG erfüllt, rettet die Welt. Die drei Sub-Kriterien haben aber miteinander nichts zu tun; eine gemeinsame Gewichtung gibt es auch nicht. Ist eine Firma ESG-konform, wenn sie beim Kriterium «Umwelt» gut abschneidet und beim Kriterium «Governance» versagt? Oder wäre umgekehrt besser? Crédit Suisse als Beispiel: Die Crédit Suisse hat ein ESG-Rating von 84 (auf einer Skala von null bis hundert), UBS ist etwas besser bei 89, die Deutsche Bank bei elenden 28. Aber die Deutsche Bank gibt es noch.
Mit etwas Zynismus kann man das ESG-Rating der Crédit Suisse wie folgt beschreiben: Bei der «Umwelt» ist die Bank spitze. Sie hat Investoren zu Anlagen bei Greensill motiviert, denen zum Teil gar keine Aktivitäten gegenüberstanden, und die damit total CO2-neutral waren. Beim Kriterium «Soziales» kriegt die Bank die Note «genügend». Bei der «Governance» geben wir der Bank eine Null. Die Vergütungspolitik und die katastrophale Unternehmungsführung haben zum Untergang der Bank geführt. Und dafür gibt es ein ESG-Rating von 84? Wahrscheinlich hat der 205-seitige Nachhaltigkeitsbericht der Bank bei der grosszügigen Notengebung eine Rolle gespielt.
Und ohne Zynismus: Die ESG-Klassifizierung ist ein totaler Unsinn, auch wenn sie einigen Akteuren viel Geld einbringt. Die drei Subkriterien dagegen sind durchaus sinnvolle Ansätze zur Beurteilung von Firmen. Der Anleger kann sich dazu durchaus selbst eine Meinung machen.
ESG ist ein Herdentrieb
Weltanschauliche Trends gehorchen den gleichen Gesetzen wie die Börse. Im Herdentrieb geht es unter Mithilfe der Medien steil bergauf, irgendwann kracht es, wenn alle merken, dass vieles heisse Luft war. An diesem Punkt steht die ESG-Begeisterung, wobei die Trendwende in den USA im Vergleich zu Europa weiter fortgeschritten ist. Larry Fink, der Chef von BlackRock, dem grössten Vermögensverwalter der Welt, sagte 2020, die Nachhaltigkeit stehe im Mittelpunkt des Investitionsansatzes. Heute spricht er mehr von der Renditemaximierung als über die Rettung der Welt und betont, dass BlackRock die Zusammenarbeit mit grossen Energieunternehmen suche.
An den Generalversammlungen grosser amerikanischer Konzerne hat die Unterstützung der Aktionäre für Umwelt- und Sozialthemen im zweiten Jahr in Folge nachgelassen. Die öffentlichkeitswirksamen Kampagnen progressiver Investoren bringen kaum mehr Erfolg. Einige amerikanische Bundesstaaten, beispielsweise Florida, haben jüngst gar Gesetze erlassen, die die Berücksichtigung von ESG verbieten oder einschränken. Das alles heisst nicht, dass nachhaltiges Anlegen keine Zukunft hätte. Aber dazu braucht es keine ESG-Bewegung. Die Alternative Bank Schweiz gibt es schon seit 1990, lange vor dem ESG-Hype.
Ohne Zement gibt es keine Spitäler. Und ohne Holcim gibt es keinen Zement. Oder doch? Müssten wir vielleicht auf Bambus-Technologie setzen? Oder Spitäler mit 1000 jährigen Red-wood-Bäumen bauen?
Eine Gemeinsamkeit verschiedener gutmeinender 3-Buchstaben-Organisationen ist, dass längerfristige Auswirkungen ihrer Vorgaben im Eifer nicht bedacht wurden.
Beispielsweise wird für die geplante Rundumelektrifizierung sehr viel Kupfer benötigt. Bei den notwendigen Förderkapazitäten bestehen aber durch Umweltschutzregulierungen riesige Minderinvestitionen aufgrund von zum Teil jahrzehntelang verweigerter Förderrechte.
Im Bereich der fossilen Energieträger besteht durch ein faktisches ESG-Investitionsverbot ein weltweites Investitionsmanko von ca. 1 Milliarde Dollar pro Tag.