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Nato-Euphorie

Der Krieg gegen die Ukraine hat schlagartig klar werden lassen: Auch in Europa kann grausam geführter Krieg Tatsache werden. Der oberflächliche Spruch, wir seien «nur noch von Freunden umzingelt», verkam innert Stunden zu peinlicher Makulatur. Unsere Armee darf nicht länger vernachlässigt werden!

Und Erstaunliches, allerlei Planungen der Schreibtisch-Strategen zu Bundesbern kurzerhand vom Tisch Wischendes musste zur Kenntnis genommen werden: Der Verteidiger, seiner Heimat zutiefst verpflichtet, die Vorteile des zu verteidigenden Geländes aus genauer Kenntnis konsequent nutzend, dem Angreifer im überbauten Gebiet Kraft, Mannschaft und Mittel zehrenden Kampf um jedes einzelne Haus abfordernd, ist einem auf dem Papier weit überlegen scheinenden Gegner selbst dann ebenbürtig, wenn dieser Gegner mit schwersten Mitteln angreift.

Erfahrungen und Beobachtungen, die hiesige Verteidigungsplaner aufrütteln müssten: Die aufwendige Zentralisierung («Führung ab Bern») unserer noch hunderttausend Mann umfassenden Armee ist schleunigst rückgängig zu machen. Erfolgversprechende Verteidigung ist dann möglich, wenn die dafür eingesetzten Einheiten mit der Region, die sie zu verteidigen haben, aus dort laufend bewältigten Übungen eng vertraut sind, alle Geländevorteile so zu nutzen wissen, dass sie die Angreifer zur Verzweiflung treiben können. Wer sich – wie das die Ukrainer heute zeigen – so zu verteidigen versteht, zermürbt offensichtlich selbst übermächtige Angreifer.

Beunruhigend ist, dass aus Bern, aus der Armeeführung, aus dem VBS zu solcher Erkenntnis bisher kaum etwas verlautet. Eine Schrift zur Thematik liegt immerhin vor, herausgegeben von «Pro Militia» («Die sicherheitspolitische Zukunft der Schweiz – Alleingang oder Kooperation?», undatiert).

Diese Schrift hinterlässt allerdings zweispältigen Eindruck. Einerseits beklagt sie völlig zu Recht die sträfliche Vernachlässigung der Armee durch die Politik in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren. Als Antwort auf diese Vernachlässigung tendiert sie allerdings mit nicht nachvollziehbarem Eifer auf internationale Kooperation – wobei als Kooperationspartner, wie diese Schrift ausführt, einzig die Nato in Betracht käme.

Kaum ein Wort darüber, dass mit Überzeugung und Wehrwillen vorgetragene Verteidigung des eigenen Landes, wie sie derzeit in der Ukraine stattfindet, selbst übermächtige Gegner zwar nicht besiegen, aber um den Eroberungserfolg bringen kann. Die Schweizer Armee muss gegen niemanden einen Krieg entfesseln und gewinnen. Sie ist eine Verteidigungsarmee. Sie darf, wenn unser Land je angegriffen werden sollte, den ihr aufgezwungenen Krieg indessen keinesfalls verlieren.

Diesen elementaren Auftrag hat unsere Armee zu erfüllen – abgestimmt auf kriegsvermeidende Neutralitätspolitik der Staatsführung. Eine Aufgabe, der auch ein entschlossener Kleinstaat gewachsen ist. Auf dass die Vernachlässigung der Armee in den letzten Jahren aufgeholt werde, werden der Armee jetzt deutlich mehr finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. Das Geld muss aber der Schweizer Armee, nicht einem Ableger der Nato zugutekommen.

Die politische Linke hat die Armee während der letzten fünfundzwanzig Jahre unablässig bekämpft. Sie fordert – welch Skandal – in ihren Programmen noch heute die Armee-Abschaffung. Verhängnisvoll war, dass die politische Mitte – FDP und CVP – gleichzeitig all ihr politisches Handeln mehr und mehr an Brüssel orientierte – und das Interesse an einer die Heimat verteidigenden Armee zunehmend verlor. Dazu ist Korrektur, gründliches Umdenken erforderlich. Unsere Armee soll eine reine Verteidiungungsarmee sein, trainiert darauf, das eigene Land im Ernstfall vor Fremdbesetzung zu schützen. Anlehnung an die Nato-Streitkräfte, die sich auch auf Angriffe vorbereiten, schadet der Sicherheit der Schweiz.

Oft vermisste man in der Vergangenheit, dass wenigstens hohe Offiziere unüberhörbar Kritik geübt hätten an der politisch gewollten Vernachlässigung der Landesverteidigung. Scheuten sie die Konfrontation mit dem politischen Zeitgeist?

Im Blick auf die Welt von heute muss es jetzt vorbei sein mit jeglicher Vernachlässigung unserer Armee. Aber nicht Kooperation mit einer Grossmacht-Streit- kraft ist anzustreben. Wir stehen zur schweizerischen Verteidigungsarmee die – in Übereinstimmung mit glaubwürdiger Neutralitätspolitik – einzig dazu da ist, unserem Land und seinen Bürgerinnen und Bürgern die Freiheit und die direkte Demokratie zu bewahren.

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Publiziert von Ulrich Schlüer

Dr. Ulrich Schlüer ist Historiker, Verleger und alt Nationalrat des Kantons Zürich. 1979 gründete Dr. Ulrich Schlüer die «Schweizerzeit», welche als bürgerlich-konservatives Magazin für Unabhängigkeit, Föderalismus und Freiheit bis heute erfolgreich seine Leserschaft bedient.

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Ein Kommentar

  1. Werter Herr Schlür. Ihr Stahlhelmdenken aus vergangener Zeit des Kalten Krieges konnten Sie bis heute offensichtlich nicht ablegen. Wer heute versucht, mit solch billigsten Mitteln eines Ukraine-Konflikts auf die Schweiz umzumünzen hat selbst nichts verstanden. Ihre Forderungen sind nicht nur durchsichtig und waren zu erwarten, nein sie zeugen auch von einem rückwärtsgerichteten Denkmuster einer Partei, welcher jedes erdenkliche Mittel recht ist, ihre ideenlose Politik zu legitimieren.

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