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Notrecht hat nichts mit «Recht» zu tun, sondern es ist … Ecstasy für die Elite

Bundesrat und Kantonsregierungen greifen immer häufiger zu «Notrecht». Macht ohne Kontrolle und Rechtsstaat bewirkt bei den Mächtigen Serotonin-Ausschüttung. Ecstasy für die Eliten.

Zur Wahrung der Sicherheit, Unabhängigkeit und Neutralität ermächtigte der historische Gesetzgeber den Bundesrat, bei ausserordentlichen, existenzbedrohenden Situationen die verfassungsmässige Ordnung vorübergehend zu durchbrechen.

Das Operieren ausserhalb der Verfassungsordnung diente der Friedenssicherung und richtete sich damit an Situationen wie bewaffnete Kriege oder «Spezialoperationen aus Deutschland».

Für absolute Notfälle

Als liberaler Rechtsstaat wurde das Notrecht in der Bundesverfassung knappgehalten, damit dieses nur in absoluten Einzelfällen aufgerufen werden könnte und freiheitseinschränkende Massnahmen nicht Alltag werden.

Weil in Anwendung des Notrechts die Bevölkerung nicht um Erlaubnis gefragt wird – wie hierzulande sonst üblich durch Abstimmungen – gilt das Notrecht für, wie es der Name schon klarmacht, absolute Notfälle. Sicherlich dachte der historische Gesetzgeber nicht an einen «Bailout» von Grossbanken.

Tatwaffe Notrecht

Die Tatwaffe «Notrecht» wurde in jüngster Vergangenheit häufiger geladen und gefeuert. Die Treffsicherheit will indes noch geübt sein. 

Im Jahr 2008 wollte der Bundesrat den Bankriesen UBS vor dem Kollaps bewahren und hat sich selbst nebenbei eine goldene Nase verdient. Mit dem Notrecht sollte für diesen «Einzelfall» die Finanzwelt vor dem «Worst Case» bewahrt werden.

Etwa zehn Jahre später begab sich ein Mikro-Organismus auf Weltreise. Allein zufolge der Pandemie wurde das Notrecht achtzehnmal angewendet und damit das Parlament und die Bevölkerung entmachtet. Der Bundesrat agierte als Kläger, Richter und Henker zugleich. 

SKA-Texon-Prozess

Vor mehr als vierzig Jahren kam der Schweizer Finanzmarkt mit dem sogenannten «SKA-Texon-Prozess» ins Stocken. Über eine Strohfirma in Liechtenstein wurden mehrere Milliarden für rechtswidrige Handlungen geschleust.

Den schlechten Ruf konnte die heute besser als «Credit-Suisse» bekannte Grossbank nicht mehr abschütteln. Auch heute ist die CS kein unbeschriebenes Blatt. Nach jahrelangem Missmanagement kann aber nicht von einer nicht vorhergesehenen Notlage gesprochen werden. Die Bundesverfassung erlaubt das Notrecht nur bei unmittelbarer Bedrohung.

Notrecht für Schlafmützen?

Diese «Unmittelbarkeit» hätte vor Jahrzehnten verhindert werden können oder müssen. Die CS hatte einen vielseitigen Lebenslauf an Skandalen.

Als eine systemrelevante Bank lag es in der Verantwortung der Finma, bei Missständen den ordnungsgemässen Zustand wiederherzustellen. Der Handlungsbedarf bestand schon lange. Durch das Untätig-Bleiben fuhr die Finma das Vehikel CS gegen die Wand und überlässt das Wrack dem Bundesrat, der sich nun als Abschleppdienst versucht.

Zwangsehe per Notrecht

Bewaffnet mit dem Notrecht, schloss der Bundesrat eine Zwangsehe zwischen der UBS und der CS und enteignete ohne Mitspracherecht bei einem Umtauschverhältnis von 22,48 : 1 die Aktionärsrechte.

Der Bundesrat gefährdet damit die verfassungsmässige Eigentumsgarantie. Die UBS muss die Übernahme gegen ihren Willen und mit vorgehaltener Waffe vollziehen, während die CS dies als «Fusion» betitelt. Ist die neue UBS nun wirklich «too big to fail»?

Notrecht als Generalvollmacht?

Anscheinend rückt beim Bundesrat der ursprüngliche Sinn des Notrechts in den Hintergrund. Es wird heute als eine «Allzweckwaffe der Aufgabenbewältigung» oder «Generalvollmacht» verwendet.

Damit wird der Begriff des Notrechts verwässert, und es werden immer mehr Situationen des Alltags als «Not» verstanden. Die ständige Häufung des Notrechts ist eine wachsende Gefahr für unsere Demokratie, weil gewählte Vertreter und die Bevölkerung immer häufiger vom Diskurs ausgeschlossen werden.

Ecstasy für die Eliten

Notrecht hatte mit «Recht» noch nie etwas zu tun; es war schon immer Handeln ausserhalb des Rechts. Neuerdings hat es auch nichts mehr mit «Not» zu tun. Vielmehr führt der Bundesrat in Selbstberauschung und in Eigenregie das Drehbuch «Schweiz». Das «Notrecht» ist zum Ecstasy für die Eliten geworden.

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Publiziert von Hermann Lei

lic. iur. Hermann Lei ist Rechtsanwalt und SVP-Kantonsrat des Kantons Thurgau.

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7 Kommentare

  1. Realsatire einer «freien» Marktwirtschaft! Da gibt es die US-Finanz-«Elite» mit ihrem Perpetuum mobile des fortwährenden projizierten Geldbetrugs, ihrer Umverteilung von unten nach oben, ihrer steuerlichen Privilegierung, ihrer Entferntheit von jeglicher Finanz- und Realwirtschaft zur Destabilisierung von Währungssystemen über Verschuldungs- und Spekulations-Exzesse. Scheinwachstum. Dazu kommen ihre «Sträflinge», auch «nützliche Idioten» genannt, zum Beispiel «ihr» Finanzplatz Schweiz. Nun wird die CS, die 2022 5 Milliarden mit US- Hedgefonds verzockte, von unserer Schweizerischen Nationalbank (SNB), der «Währungshüterin» von Dollar und Euro, gerettet. Die SNB setzte im gleichen Jahr 142,4 Milliarden in den Sand, das 28-fache des Verlustes der CS! Hat BlackRock, in ihrer universellen Beraterfunktion zur geostrategischen Absicherung des Syndikats, zu diesem UBS-Fusions-Monster geraten?

    Bruno Ackermann, Adligenswil

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  3. Als gewöhnlicher Bürger weiss man nicht, ob wir uns über diese Massnahmen freuen oder ärgern sollen. Wenn mit Steuergeldern ein nationaler oder gar weltweiter Bankenkollaps damit verhindert wird, dann sind sie wohl das geringere Übel. Fair ist es auf alle Fälle nicht, dass der Staat für die Risiken und Fehler der Grossbank aufkommen muss! Jetzt muss der schweizinterne Bereich der UBS von der internationalen getrennnt werden, ansonsten droht ein weiterer grösserer Crash.

  4. Sehr geehrte Herr H.Lei
    ,,Historische» Gesetzgeber ??? (Verfassung)
    In der Verfassung von 1848 / 1874 war kein sog. Notrecht und noch anderes festgeschrieben.Das ist erst seit dem 1.1.2000 in der Schweizer Staatsverfassung!
    Da steht in der aktuellen Staatsverfassung der Schweiz, noch mehr hinterfragbares drin. Auffällig vieles wird und ist im Gesamtzusammenhang teils bedenklich, sowohl in den Artikeln als auch Abschnittübergreifend‚ variabel bedarfsgerecht und interpretierbar zusammengestellt und formuliert.
    LOGO es gibt auch klar und eindeutig formulierte Artikel, einfach die Verfassung aufmerksam lesen und mit dem Gesamtwerk abgleichen.
    Vor allem wurden keine klaren Grenzen für Notrecht gesetzt resp. das jeweilige entsprechend so gestaltet, DAS teilweise auch das Parlament so einiges, fast genötigt‚ im nachhinein als erste Kontrollinstanz nur noch absegnen kann.
    Das Volk als 2. Abschliessende Kontroll-Instanz, kann gegebenfalls aus naheliegenden, Gründen, im Regelfall Zeitgründe nicht mehr eingreifen.

  5. Das Problem mit Notrecht oder anderen situativen Entscheidungen ist, dass man damit Rechte, die zuvor jahrelang entwickelt, diskutiert und austariert wurden, mit unüberlegten, unausgegorenen Handlungen ausser Kraft setzt. Auch der Pilot hat sich bei einer Notsituation an eine Checkliste zu halten und darf nicht einfach irgend etwas tun. Weil eben Notsituationen im Voraus durchgespielt werden und deren Ablauf geplant werden. Ein anderes Beispiel ist das Rüstungsgüterausfuhrverbot. Die Linke hat so darauf gedrängt, dass keine Waffen in Konfliktgebiete exportiert werden können, hat die brillantesten Argumentationen dafür geliefert – und jetzt gilt plötzlich alles nichts mehr. Man fragt sich manchmal, wie weit Politiker in die Zukunft denken können. Auch beim CS-Fall, bei dem die Politik fast 20 Jahre seit der USB-Rettung Zeit hatte, solche Situationen zu vermeiden, hat die Regierung versagt. Dass Blocher gerade die richtige Empfehlung gegeben hat, wird natürlich heute selbstredend unterschlagen.

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