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Russland zeigt Muskeln

Im März 2014 annektierte Russland die Krim-Halbinsel mit einer verdeckten militärischen Operation. Sie erinnern sich sicher an Soldaten ohne erkennbaren Dienstabzeichen in sonderbaren Uniformen und Militärfahrzeuge mit geschwärzten Kennzeichen. Die Annexion wurde zum Meisterstück der sogenannten Gerassimov-Doktrin, benannt nach Valeri Gerassimov, dem Chef des russischen Generalstabes.

Momentan scheint nicht mehr viel übrig zu bleiben von der sogenannten hybriden Kriegsführung der Gerassimov-Doktrin. Russland massiert gerade etwa sechzig Prozent der kampfstärksten Truppen in der Grenzregion zur Ukraine – nicht gerade eine verdeckte Operation. Russlands Armee muss sich nicht verstecken.

Die russische Armee der Neuzeit hat nichts mehr zu tun mit der verlotterten Armee der Neunziger Jahre, im Gegenteil. Russland verfügt über in Syrien bestens erprobte Waffensysteme und insbesondere Piloten. 92 Prozent der Luftwaffenoffiziere haben Kriegserfahrung in Syrien gesammelt. Die Logistikkapazitäten des russischen Heeres sind ausgezeichnet. Anlässlich der im Kern erstickten Aufstände in Weissrussland und Kasachstan demonstrierten die Russen, wie schnell sie Truppenteile innerhalb von kurzer Zeit bewegen können. Niemand soll sich einbilden, dass Russland Aufstände in seinen ehemaligen Satellitenstaaten dulden wird.

Der Aufstand in der Ukraine war der grösste bisherige Fehler des Präsidenten Putin, und er wird diesen Fehler entweder korrigieren oder nicht mehr wiederholen. Für ihn gilt, die Ukraine so schnell wie möglich zurück in die russische Einflusssphäre zu bringen, eine territoriale Invasion ist dabei nicht zwingend erforderlich.

Modernisierte russische Streitkräfte

Der Westen liess sich sehr lange von den Geschichten rund um die hybride Kriegsführung des Generalstabschefs Gerassimov einlullen. Tatsächlich modernisierte der Verteidigungsminister Sergei Schoigu jedoch die konventionellen Streitkräfte Russlands. So wurden die Panzerdivisionen mit optischen Nacht-Kampfsystemen ausgestattet, sowie mit lasergesteuerten Lenkwaffen mit der doppelten Reichweite herkömmlicher Panzer. Zudem wurden russische Lenkwaffen im Stil der amerikanischen Cruise Missiles namens «Kalibr» im Syrienkonflikt von Kriegsschiffen im Kaspischen Meer aus treffsicher nach Syrien (zur grossen Überraschung der Amerikaner) abgeschossen.

Das russische Heer heutzutage besteht aus einem Kern von 400000 gut bezahlten Spezialisten, welche die militärdienstpflichtigen Rekruten als Hilfskräfte benutzen. Die Nato, ohne US-Streitkräfte und den unsicheren Partner Türkei, hat wenig dagegen zu bieten.

Besetzung der Ukraine?

Die Frage stellt sich: Wird Präsident Putin die Ukraine besetzen lassen? Auf diese Frage gibt es verschiedene mögliche Antworten. In Russland selbst gibt es sozusagen keine Opposition gegen Putins Regierung. Der «0815»-Russe ist durchaus patriotisch eingestellt und willens, wirtschaftliche Verluste zum Wohle des Vaterlandes zu tragen.

Russland ist sich durchaus bewusst, welchen Schaden westliche Sanktionen auf seine einseitig im Energiesektor verankerte Volkswirtschaft haben könnten, das Bewusstsein der Verwendung genau dieses Energiesektors als Repressionswaffe gegen den abhängigen Westen Europas besteht jedoch auch.

Eine militärische Invasion der Ukraine kann Teilgebiete betreffen, wie zum Beispiel das Gebiet Donbass oder die wichtige Hafenstadt Odessa. Gebiete, welche über einen grossen Anteil an russischsprachiger Bevölkerung verfügen. Eine weitere Teilannexion würde bestimmt zum Sturz der Regierung in Kiew führen und zur möglichen Einsetzung einer neuen prorussischen Regierung. Es lässt aufhorchen, dass Teile der dem russischen Präsidenten direkt unterstellten Nationalgarde (Rosgvarda), spezialisiert auf die Niederschlagung von Revolten und Unruhen, ebenfalls an die ukrainische Grenze verlegt wurden.

Wirtschaftssanktionen mit fragwürdiger Wirkung

Die USA drohen mit sehr harten wirtschaftlichen Sanktionen, sollte Russland die Ukraine angreifen oder besetzen. Diese Sanktionen wären insbesondere gegen die Oligarchen gerichtet, welche als Stütze des Putin Regimes gelten.

Es scheint, als hätten diese Oligarchen bereits vorgesorgt. Neulich wurde publiziert, dass die astronomische Summe von 200 Milliarden Dollar an Kryptogeldern von russischen Oligarchen gehalten wird. Die Einfrierung von solchen Vermögenswerten wäre äusserst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich.

Präsident Putin ist 69 Jahre alt. Sein Vermächtnis gegenüber Russland kann nicht sein, dass in der Ukraine in nicht allzu ferner Zukunft Nato-Truppen stationiert werden. Ich erachte deshalb eine baldige Invasion für höchstwahrscheinlich, falls mit der ukrainischen Regierung vorher nicht noch ein Geheimabkommen getroffen wird.

von Isabel Villalon, Ingenieurin im Fach Maschinenbau mit Spezialgebiet Energie

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Publiziert von Schweizerzeit

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Ein Kommentar

  1. Was gerade zwischen Russland und der Ukraine/USA/NATO passiert hat parallelen zu JFK vs Kuba/UDSSR. John F Kennedy konnte es nicht akzeptieren dass Russland Atombomben in Kuba stationierte. Ja Kuba also souveräner Staat hatte jedes Recht dies zu erlauben, aber so einfach ist es nicht wenn dein Nachbar Eine Superpower ist.

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