hf. Christoph Blochers 34. Albisgüetli-Rede war einmal mehr ein Feuerwerk von politischer Substanz, mitreissender Energie und Humor. Die Schweizerzeit veröffentlich daraus zentrale Auszüge. Die vollständige schriftliche Fassung finden Sie unter www.blocher.ch, www.svp-zuerich.ch und www.svp.ch.
Geschätzte Amtsträger und Parteifreunde, getreue, liebe Mitlandleute aus der Eidgenossenschaft, liebi Fraue und Manne!
Zuallererst gehört Ihnen allen ein grosses Lob, dass Sie den Mut haben, hier zu sein. Es ist nicht unsere Schuld, dass all die negativ-getesteten, gesunden Leute nicht hier sein dürfen. Unsere Landesregierung hat ihnen den Zutritt verboten. Aber Sie sind gekommen. Den Mutigen gehört die Welt.
Politisch verwahrloste Zeit
Gerade heute ist es wichtig hinzustehen und zu sagen, was man denkt. Rundum sehen wir es: Wir leben in einer politisch weitgehend verwahrlosten Zeit. Weite Kreise haben den soliden politischen Kompass verloren. In Wirtschaft und Politik zerfallen Persönlichkeiten zu papierenen Figuren. Statt sich unerbittlich für die Sache einzusetzen, zählt nur noch das eigene Ansehen. Ich weiss: Der jahrelange gute Verlauf der Wirtschaft fördert diesen Zerfall noch. «Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen.»
Wo der Souverän auf Initiative der SVP Korrekturen verlangt hat – so bei der Zuwanderungsinitiative, im Asylrecht, der Ausschaffungsinitiative, bei der klaren Verwerfung des CO2-Gesetzes, beim historischen Nein zum EWR-Vertrag –, überall versuchen jene, die durch das Volk gewählt wurden, das Gegenteil zu machen. Und die Missstände dauern an.
Gravierende Folgen
• Bei Einführung der Personenfreizügigkeit lebten in der Schweiz 7,32 Millionen Menschen, heute sind es 8,61 Millionen. Versprochen wurde ein Zuwachs von 8’000 pro Jahr. Gekommen sind über eine Million – statt der versprochenen 160’000.
• Erschreckend ist die Kriminalitätszunahme vor allem durch Eingewanderte oder Leute mit Migrationshintergrund.
• Es gibt praktisch keine Ausschaffung Krimineller, obwohl man dem Volk das Gegenteil versprochen hat – und auch praktisch keine Rückschaffung der Wirtschaftsflüchtlinge, obwohl dies der Gesetzgeber verlangt.
Rückkehr zum eigenen Auftrag
Ich verstehe die Verzweiflung vieler Bürgerinnen und Bürger. Aber merken Sie sich: Wir von der SVP stehen nie am Ende einer Aufgabe, sondern stets am Anfang. Und ich rufe unsere Politiker auf, dranzubleiben, Gegensteuer zu geben. Widerstand, nicht Anpassung ist gefragt.
Die Strategie ist einfach: Rückkehr zum eigenen Auftrag. Und wie heisst der Auftrag aller führenden Leute im Land? Dafür zu sorgen, dass die Schweizerinnen und Schweizer in Sicherheit und Freiheit leben können. Greifen Sie zu Hause ins eigene Büchergestell und lesen Sie in der schweizerischen Bundesverfassung – ganz am Anfang leuchtet es – fast wie in Stein gemeisselt: «Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.»
Wir alle wissen, was zu tun wäre. Aber die Classe politique foutiert sich drum, pflegt lieber ihr «Image»! Leichtfertig sollen die Unabhängigkeit, die Volksrechte, die Freiheit, die Sicherheit des eigenen Volkes verschachert werden. Man nimmt dem Volk die Handlungsfreiheit, indem wir uns als Kolonie fremden Gesetzgebern unterordnen sollen.
Doch um die Freiheit und Sicherheit zu gewährleisten, ist die Handlungsfreiheit des eigenen Landes Voraussetzung. Darum ist die Wahrung der staatlichen Unabhängigkeit erstes Gebot!
Vier Gedenkjahre der Schweizer Geschichte
Die Stärke unseres Landes besteht darin, dass das Land – seit über 700 Jahren – für diese Unabhängigkeit, Freiheit und Sicherheit gekämpft hat. Und es ist bis heute gelungen. Denn es gab immer wieder Kräfte, die die Schweiz auf den rechten Weg führten. Heute muss es die SVP sein – hoffentlich nicht allein.
Sie müssen sich nicht in jedem Detail der Schweizer Geschichte auskennen. Aber die vier wichtigen Gedenkjahre haben wir uns zu verinnerlichen: Es sind die Gedenkjahre 1291 mit dem Bundesbrief, 1848 mit der Bundesverfassung, 1992 mit dem Nein zum EWR/EU-Beitritt und 2021 mit dem Nein zum Rahmenvertrag.
1291 beschlossen die Eidgenossen – es waren ein paar Hirtenmänner, vielleicht barfuss, ohne Schreib- und Lesekenntnisse: «Wir wollen keine fremden Richter haben!» Darum ist der 1. August unser Nationalfeiertag. Der Bundesbrief von 1291 ist kein Jubel- und Lobgesang auf das Grosse, das Organisierte – sondern das Gegenteil! Das rufen wir all den pubertären Berufspolitikern zu, all diesen Grünschnäbeln auf den rot-grünen Bänken, die aus den Hörsälen mit ein bisschen Hochschulwissen direkt in den Ratssaal des Bundeshaues gewechsel haben.
Am 12. September 1848 wurde die Schweizerische Bundesverfassung verabschiedet. Es ist die Gründung der modernen Eidgenossenschaft als Bundesstaat und knüpfte bewusst an den Bundesbrief von 1291 an. Sie beginnt wie dieser gleich mit dem ersten Satz: «Im Namen Gottes des Allmächtigen». Diese Bundesverfassung bildete die Grundlage für eine im Grunde unfassbare Erfolgsgeschichte der Schweiz vom «Armenhaus Europas» zu einem der wohlhabendsten, stabilsten und friedlichsten Staaten der Welt.
Der dritte Streich war am 6. Dezember 1992 das Nein zum EWR. Viele von uns waren leibhaftig dabei: An diesem historischen Tag hatte das Schweizer Volk die Kraft und den Mut, bei einer rekordhohen Stimmbeteiligung den unwürdigen Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), dem Vorläufer zum Beitritt zur Europäischen Union, abzulehnen. Nach dreissig Jahren sind die Protokolle der Bundesratssitzung vom 17. April 1991 öffentlich geworden, als der Bundesrat einhellig den EWR-Vertrag beschloss, der die Schweiz in die EU hätte führen sollen. Ich habe dieses bis anhin geheime Protokoll mit Spannung gelesen. Wir erfahren: Die Mehrheit der anwesenden Bundesräte beurteilte den EWR-Vertrag in den Voten als «unwürdig», als «Frechheit», als «unbrauchbar». Alles wörtlich!
Beim Lesen kam es mir vor, es seien sieben Blochers im Bundesrat gewesen!
Und was war die Schlussfolgerung? Der Bundesrat beschloss «im Konsens und ohne Abstimmung, Ja zum EWR zu sagen».
Später versuchte der Bundesrat, diesem Weg in den Abgrund zu entrinnen, indem er sich nicht etwa für die Unabhängigkeit entschied, sondern noch einen Schritt weiter ging, nämlich beschloss, der EU beizutreten und das Beitrittgesuch einzureichen. Aber die Geisterfahrt ging weiter im Abstimmungskampf. Die Übermacht von Verwaltung, Bundesrat, Parteien, allen Kantonsregierungen, Gewerkschaften, der Wirtschaftsverbände und eines Grossteils der Wirtschaft – ich nannte und nenne es die Classe politique – marschierten geschlossen in den Abgrund. Sie verkauften dem Volk diesen EWR-Vertrag zur Preisgabe des Landes als Rettung und als Alternative zum EU-Beitritt.
Die Abstimmungsanalysen über die Volksabstimmung vom 6. Dezember 1992 belegen es: Hier, in diesem Albisgüetlisaal, wurde die entscheidende Entscheidungs-Schlacht gegen diesen Kolonialvertrag geführt und gewonnen. Hier am Ort dieser Albisgüetli-Tagung beschlossen am 3. Juli 1992 die Zürcher-SVP-Delegierten für die ganze Schweiz überraschend die Nein-Parole mit 435 gegen 14 Stimmen. Dies, obwohl der hochfähige und intelligente schweizerische Staatssekretär, Prof. Dr. Franz Blankart, den Pro-Standpunkt glänzend vertrat. Ohne diese denkwürdige Versammlung im Albisgüetli hätte der Abstimmungskampf einen anderen Verlauf genommen.
Und so geschah es: Das Stimmvolk entschied sich am 6. Dezember 1992 mit einem Nein-Anteil von 50,3 Prozent gegen die Vorlage. Zwei Drittel der Kantone verwarfen den EWR ebenfalls. Die Stimmbeteiligung von 78,7 Prozent war die höchste seit vielen Jahrzehnten und wurde seitdem nie mehr übertroffen. Also ist das Albisgüetli nichts anderes als das zweite Rütli, ein Kraftort der unabhängigen Schweiz.
2021: Lob für den Bundesrat
Der vierte Streich folgt alsogleich. Doch diesmal tun wir hier im Albisgüetli etwas für diesen Ort Seltenes: Wir loben den Bundesrat! Denn der vierte Gedenktag der Schweizer Geschichte, der 26. Mai 2021, wäre ohne den derzeitigen Bundesrat undenkbar.
Wir danken dem Bundesrat, dass er den Mut und die Kraft hatte, den unseligen Rahmenvertrag mit der EU zu beerdigen.
Wie am 6. Dezember 1992 wurden wir am 26. Mai 2021 von einem erneuten Kolonialvertrag befreit. Im Namen des Gesamtbundesrates überbrachte der damalige Bundespräsident Guy Parmelin der EU diese Botschaft. Es war eine Freude: Da stand er, der einfache Waadtländer Weinbauer, und teilte der EU mit nüchternen Worten mit, dass sich die Schweiz und die EU über das vorliegende Institutionelle Abkommen nicht einigen könnten. Die Schweiz beende darum die entsprechenden Verhandlungen, werde aber weiterhin gutnachbarschaftliche Beziehungen pflegen.
Klarheit mit der EU schaffen
Doch – meine Damen und Herren – leider folgt dem Lob eine ernstzunehmende Rüge: Bundespräsident Parmelin durfte in Brüssel nicht erklären, dass die Schweiz, bei aller Freundschaft, keine Kolonialverträge eingeht, dass die Schweiz keine fremden Gesetzgeber und keine fremden Richter akzeptieren wird, weil damit die Schweizer Bürger als Gesetzgeber ausgeschaltet würden und dies die Freiheit und Sicherheit verunmöglichen würde.
Das Grundübel – die Preisgabe der Selbstbestimmung als Ablehnungsgrund des Rahmenvertrages – brachte der Bundesrat nicht über die Lippen. Darum entwickelt sich die Fortsetzung als neuer Irrläufer. Erneut in Richtung Kolonialvertrag.
Herr Bundespräsident Cassis, bitte geben Sie der EU bekannt: Die Schweiz schliesst keine Kolonialverträge mit fremden Gesetzgebern und fremden Richtern!
Für eine sichere Zukunft in Freiheit
Ja, meine Damen und Herren, also auf in den nächsten Kampf: Für eine sichere Zukunft in Freiheit. Auch unsere dauernd bewaffnete Neutralität dient der Freiheit und der Sicherheit. Wir verurteilen auch die ständigen Einmischungen aus Bundesbern in die Angelegenheiten anderer Länder.
Und wir wissen: Unsere Unabhängigkeit muss verteidigt werden. Darum braucht es eine Armee. Wir brauchen den F-35, weil wir den Schutz der Sicherheit und Freiheit unserer Bürger gewährleisten müssen. Die Gegner sind alles vaterlandslose Gesellen: Sie erzählen den Bürgern einen Stuss über angeblich bessere Flieger. Aber sie wollen nicht ein anderes Flugzeug, sie wollen die Armee abschaffen. Sie lassen die Menschen schutzlos. Sie sind nicht ernstzunehmen. Sie sollten sich schämen.
Bürgerliche Zusammenarbeit anstelle von Rot-Grün
Meine Damen und Herren, wir stehen vor Wahljahren. Wir stehen nie am Ende einer Aufgabe, sondern stets am Anfang. Es braucht die SVP dringend. Dank der SVP sind die schlimmsten Lockdown-Massnahmen in der Schweiz verhindert worden. So sind die Ausgaben und die Schulden der Eidgenossenschaft trotz Covid-19 nicht in astronomische Höhen geklettert. Wir danken dafür vor allem auch unserem Finanzminister Ueli Maurer! Auch der Kanton Zürich hat die Krise recht gut gemeistert. Ich danke Ernst Stocker für seine gute Arbeit in finanz- und wirtschaftspolitischer Sicht. Auch das Zürcher Gesundheitswesen ist mit Regierungsrätin Natalie Rickli in guten Händen. Danke Natalie, mach so weiter!
Meine Damen und Herren, den Zürcher Regierungsräten der bürgerlichen Parteien und insbesondere den Freisinnigen im Rückblick auf die Ständeratswahlen sollte klar sein: Die bürgerliche Zusammenarbeit muss künftig wieder Normalfall sein! Bei den Wahlen müssen SVP, FDP und Die Mitte (CVP) zusammenhalten, sonst gewinnt Rot-Grün.
So wünsche ich Ihnen fürs 2022 ein helles Licht am Ende des Tunnels. Ich sehe es schon. Und unserem Volk eine sichere Zukunft in Freiheit!