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Verfilztes Miteinander

Die Grosskonzerne und die Staatsbürokratie

Direktorin von Economiesuisse, die sich selber als Dachverband der Schweizer Wirtschaft etikettiert, ist mit Monika Rühl eine ehemalige Schlüsselfigur der Bundesverwaltung.

Sie war die persönliche Mitarbeiterin von Josef Deiss, der als Bundesrat zeitweise das Aussenpolitische, zeitweise das Volkswirtschaftsdepartement führte. Als persönliche Mitarbeiterin war Monika Rühl insbesondere auch für das persönliche Netzwerk «ihres» Bundesrats zuständig. Sie hatte also intensive Beziehungen zu sämtlichen Sparten der Bundesverwaltung aufzubauen und zu pflegen. Gleiche Aufgabe hat sie jetzt für Economiesuisse übernommen.

Bankiervereinigung

Jörg Gasser war als Spitzenfunktionär der Bundesverwaltung so eine Art «rechte Hand» von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, als diese – sich Befehlen aus den USA willfährig unterwerfend – die Liquidation des Bankkundengeheimnisses rigoros durchsetzte. Damit wurde die anhaltende Erosion des Finanzplatzes Schweiz eingeleitet, ablesbar am seither stattfindenden Aderlass bezüglich in der Schweiz verwalteter Vermögen aus aller Welt.

Vor nicht allzu langer Zeit wurde Jörg Gasser – für viele überraschend – an die Spitze der Bankiervereinigung berufen. Der wichtigste Durchführungsgehilfe bei der Schwächung des Bankenplatzes Schweiz ist damit heute dessen Dirigent.

 

Swissmem

Auch Swissmem, der einflussreiche Verband der Schweizer Maschinenindustrie, hat sich mit Stefan Brupbacher für seinen Direktorenstuhl eine Spitzenpersönlichkeit aus der Bundesverwaltung geangelt – die jetzt gar, nicht unbedingt überraschend, in Verdacht gerät, bereits als Generalsekretär des Volkswirtschaftsdepartements gewisse vertrauliche Dienstleistungen für seinen jetzigen Brotgeber erbracht zu haben.

 

Avenir Suisse

Dann gibt es auch noch den einst renommierten «think tank» namens Avenir Suisse. Er entstand als Bollwerk, gleichsam als wirtschaftliches Gewissen dem Staat gegenüber – die Freiheit der Wirtschaft von staatlicher Regulierung als Fundament weltweiter Wettbewerbstauglichkeit der Schweizer Wirtschaft eisern verteidigend. Auch das Direktorium von Avenir Suisse liegt heute in den Händen eines ehemaligen staatlichen Spitzenfunktionärs: Peter Grünenfelder.

 

Was steckt dahinter?

Seltsam und beunruhigend diese Parallelen! Was steckt dahinter?

Sind wir mit einer offensichtlich tiefgreifenden Veränderung in den Führungsetagen jener grossen Konzerne konfrontiert, welche insbesondere das finanzielle Rückgrat der genannten Verbände und Institutionen bilden?

Sind die Zeiten vorbei, da die höchsten Verantwortungsträger jener Zweige der Schweizer Wirtschaft, die mit exzellenten Produkten und tadellosen Dienstleistungen Weltmärkte erobert haben, nahezu täglich ordnungspolitische Gradlinigkeit, also möglichst weitgehende Freiheit der Wirtschaft von staatlichen Auflagen und bürokratischen Fesseln anmahnten? Suchen diese Konzerne unter anders orientiertem Management mehr und mehr Unterschlupf in der Funktionärsbürokratie, die ihnen zwar Risiko und Verantwortung für unternehmerisches Handeln abnimmt, die sie aber zunehmend in Fesseln staatlicher Überregulierung und zunehmend auch staatlich vorgegebenen «Wohlverhaltens» legt?

 

Verzicht auf Wirtschaftsfreiheit?

Hat diese Entwicklung damit zu tun, dass die aus der Schweiz operierenden Grosskonzerne zunehmend von ausländischem Management beherrscht werden, eingesetzt von ausländischen Kapitalgebern – nicht selten gar von ausländischen Staatsfonds? Ist diesem Management das, wofür der Schweizer Wirtschaft einst weltweit herausragende Leistungsfähigkeit zuerkannt worden ist, zunehmend gleichgültig? Suchen die Manager dieser Konzerne die enge Verzahnung mit der Funktionärsbürokratie, weil sie sich aus dieser Verzahnung vor allem bonusträchtigen Kurzfristgewinn versprechen? Fordern sie deshalb die Annahme des Rahmenvertrags mit der EU, weil sie sich aus Anpassung an Brüssel vor allem gewinntreibende Billigst-Arbeitskräfte ohne Zahl versprechen, während ihnen langfristige, qualitätsorientierte Unternehmensstrategie eher gleichgültig ist?

 

Misserfolgsmodell EU

Im Blick auf solches Denken würde nachvollziehbar, dass die Konzern-Manager der Super-Bürokratie zu Brüssel selbst jene Eigenschaft – weitestgehende Unabhängigkeit von wirtschaftshemmender Bürokratie – zu opfern bereit sind, mit welcher sich die Schweizer Wirtschaft in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts weltweite Anerkennung und weltweiten Erfolg zu sichern verstanden hat?

Sieht diese Manager-Gilde nicht, dass die an ihre Gleichschaltungsbürokratie gefesselte EU im weltweiten Vergleich an Wirtschaftskraft seit Jahren bloss Rückschläge zu verzeichnen hat – gegenüber Fernost und den USA gar in zunehmend dramatischem Ausmass? Wer fesselt sich an eine Bürokratie, die solch bedenkliche Entwicklung verursacht und laufend beschleunigt?

 

Fragen an die Politik

Aus solchen Beobachtungen und Befürchtungen resultieren Fragen an unser Parlament zu Bern: Ist unsere höchste gesetzgebende Gewalt in ihrer Mehrheit tatsächlich bereit, der rücksichtslosen Kurzfrist-Gewinnsucht des internationalen Managements, das viele in der Schweiz angesiedelte Grosskonzerne beherrscht, jenes Fundament zu opfern, von dem aus die Schweizer Wirtschaft ihre eindrückliche Position auf den Weltmärkten zu erobern vermocht hat?

Kurzfristig verspricht solche Ausverkaufs-Mentalität den Managern noch Gewinn. Dem Land, der Schweiz droht daraus allerdings Rückschlag. Tritt dieser in absehbarer Zeit ein, dürften die Manager, nachdem sie hier abgesahnt hatten, ihre Zelte längst anderswo aufgeschlagen haben. Zurück bleiben die gebeutelten, für den Erhalt ihrer Existenz an den Wirtschaftsstandort Schweiz gebundenen, kleineren Unternehmen, deren Wohlergehen ganz und gar von jenem Fundament abhängt, das schweizerischer Innovationskraft Blüte und Erfolg gewährleistet hat.

Noch wäre Zeit, die Schwerpunkte schweizerischer Wirtschaftspolitik wieder so zu setzen, dass Schweizer Leistung, Schweizer Erfindungsgabe, Schweizer Fleiss und Schweizer Zuverlässigkeit sich weltweit durchsetzen können. Das allerdings wird nur möglich sein, wenn sich die Schweiz ihrer Einbindung in die Brüsseler Super-Bürokratie zu entziehen versteht, welche die EU im Blick auf den Gang der Weltwirtschaft auf die Verliererstrasse verwiesen hat.

Ulrich Schlüer

 

BRISANT vom 28. Juni 2019 als PDF-Dokument herunterladen

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Publiziert von Ulrich Schlüer

Dr. Ulrich Schlüer ist Historiker, Verleger und alt Nationalrat des Kantons Zürich. 1979 gründete Dr. Ulrich Schlüer die «Schweizerzeit», welche als bürgerlich-konservatives Magazin für Unabhängigkeit, Föderalismus und Freiheit bis heute erfolgreich seine Leserschaft bedient.

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3 Kommentare

  1. Das Schweizer Volk hat sich bei EU Abstimmungen mehrmals über den Tisch ziehen lassen. Wie kann man so dumm sein, und Verträgen zustimmen, die eine Guilletineklausel enthalten? Aber wahrscheinlich hat es zugestimmt, weil die Drohungen des Staates, Economiesuisse etc riesig waren. Das Volk hat nicht erkannt, dass die Drohungen leer waren. Ausnahme: Die Masseneinwanderungsinitiative wurde knapp angenommen. Die Personenfreizügigkeit schadet unserem Land ungemein. Aber das „dumme“ Volk wird ihre Abschaffung wieder verweigern, so meine ich. Der Rahmenvertrag kommt auch durch, so befürchte ich sehr.

  2. Die Schweiz: Korrupt,Verkauft,Demontiert von der Class Politik u.s.w. Gegen jeden Wind, in die noch Korruptere EU? Als Pansionierter Schweizer bin ich nach 5O Jahren Arbeit, Ausgewandert.Sonst wäre ich ein sozialer geworden,denn die Last konnte nicht mehr länger ertragt werden.Es sind viele Schweizer hier in Asien. Herr Schlüer ,im Ausland sind mittlerweile 85O` OOO Schweizer lebend?
    Hoffentlich kommen die nicht retour,sonst Gute Nacht. Gruss aus den Philippinen

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