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Zu GROSS ist zu GROSS

2008 mussten die Eidgenossenschaft und die Schweizerische Nationalbank (SNB) die UBS, die grösste Bank der Schweiz mit Milliardenbeträgen retten. Die Bilanzsumme der Bank betrug 2’000 Milliarden Franken, gut dreimal mehr als die jährliche Wirtschaftsleistung der Schweiz (BIP).

Die Lehre aus dem Debakel war: Eine finanzielle Rettung einer zu grossen Bank durch den Staat darf nie wieder passieren. Dazu wurde während fünfzehn Jahren ein ausgeklügeltes Regulierungs- und Überwachungssystem aufgebaut: Das «Too big to fail»-Regelwerk. Es liegt beim Bundesrat, der Aufsichtsbehörde (FINMA) und der Nationalbank (SNB) zuoberst in den Schubladen. «Too big to fail» ist eine Bank, wenn sie zu gross ist, als dass sie untergehen darf.

Der Untergang der Credit Suisse

Als die Credit Suisse im März ins Schleudern geriet, blieben die Schubladen beim Bundesrat, der FINMA und der SNB geschlossen. Stattdessen wurde die Bank mit Hunderten von Milliarden an Liquidität und Garantien gerettet. Das Ziel der «Too big to fail»-Regulierung wurde verfehlt. Das Regelwerk ist gescheitert, obschon die Credit Suisse die gesetzlichen Auflagen dem Vernehmen nach erfüllt hat. Damit ist dieses Regelwerk auch für alle Zukunft gescheitert.

Erwin Heri, Professor für Finanztheorie sagt dazu: «Wenn eine Bank ʺtoo big to failʺ ist, dann ist sie ʺtoo bigʺ». Schlicht und einfach: Zu gross.

Der Gewinn dem Management, das Risiko dem Staat

Damit gilt für systemrelevante Banken weiterhin: Die Gewinnchance gehört den Privaten, das Verlustrisiko dem Staat.

Pikant im Falle der Credit Suisse ist, dass mit den «Privaten» nicht die Aktionäre, sondern das bonusgetriebene Management gemeint sind.

Die Politik im Cockpit

Die Politik hat auf das Scheitern der Regulierung der systemrelevanten Banken heftig reagiert:

  • Der Bundesrat hat mit einer extrem verkürzten Frist eine Gesetzesänderung in Vernehmlassung gegeben, mit der im Wesentlichen die Notrechts-Erlasse des Bundesrats ins ordentliche Recht überführt werden sollen.
  • Das Finanzdepartement hat bei Prof. Manuel Ammann (HSG) eine Beurteilung des Geschehens in Auftrag gegeben, die seit Mitte Mai vorliegt.
  • Die Bundesversammlung hat eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) mit der Untersuchung der Umstände beauftragt.
  • Das Finanzdepartement hat eine Expertengruppe «Bankenstabilität» unter Prof. Yvan Lengwiler (Uni Basel) eingesetzt. Sie soll bis Mitte August strategische Überlegungen zur Stabilität des Finanzplatzes Schweiz erarbeiten.
  • Der Bundesrast muss seine Evaluation des «Too Big To Fail”- Regelwerks bis Anfang April 2024 präsentieren.

Systemrelevanz ist schön und verführerisch

Die fünf (neu vier) grossen Banken weisen gerne auf die Last hin, die ihnen der Gesetzgeber wegen ihrer Systemrelevanz auferlegt hat: Mehr Eigenkapital, mehr Liquidität, mehr Administration für die Sicherstellung einer geordneten Abwicklung, die im Fall der Credit Suisse nicht erfolgt ist. Das sind alles Kleinigkeiten im Vergleich zu den Vorteilen der Systemrelevanz.

Der Fall der Credit Suisse zeigt, dass es für eine Bank vorteilhaft ist, systemrelevant zu sein. Es ist auch für Kunden vorteilhaft, bei einer systemrelevanten Bank Kunde zu sein. Die ganze Bank und alle ihre Kunden erhalten damit praktisch eine Staatsgarantie. Und diese schafft enorme Fehlanreize beim Management und bei den Kunden der Bank. Vom Schutz der inländischen Einlagen-, Kredit- und Zahlungsverkehrsgeschäfte – nur sie gelten als systemrelevant – profitieren auch die Investmentbanker und deren Kunden in New York und London. Das ist schon ziemlich krass. Solche Asymmetrien und die damit verbundenen Fehlanreize lassen sich nur verhindern (oder reduzieren), wenn die Banken nur dann Zugang zum «Too big to fail»-Status erhalten, wenn sie sich vorab einschneidenden Restriktionen unterwerfen.

Das System ersetzen

Beim zukünftigen Regelwerk für systemrelevante Banken geht es nicht um die Optimierung des bisherigen Regimes, sondern um dessen Ersatz, und damit um massive Änderungen im Geschäftsmodell der systemrelevanten Banken: Die systemrelevante Bank muss getrennt werden von anderen Geschäften. Man spricht von einem Trennbankensystem.

Das ist keine neue Idee. Die USA hatten im Gefolge des Börsenkrachs von 1929 und der daraus folgenden Grossen Depression ein Trennbankensystem eingeführt, das unter der Bezeichnung «Glass-Steagall Act» von 1933 bis 1999 eine strikte Trennung des Kreditgeschäfts mit Privatkunden vom Investmentbanking vorschrieb. Der «Glass-Steagall Act» führte zu einem über Jahrzehnte stabilen Bankensystem in den USA. Als besonders sexy galt das Bankgeschäft in den USA während dieser Zeit allerdings nicht. Es war eher langweilig.

Wie weiter?

Sicher stehen weitere Themen auf der Traktandenliste der Politik: Dazu gehören Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften, Regeln oder gleich Verbote von Bonussystemen, Grössenbeschränkungen, Verstaatlichungsoptionen und vieles anderes mehr. SVP und SP haben sich bereits klar in Stellung gebracht. Auf jeden Fall müssen alle Möglichkeiten eines Trennbankensystems vertieft ausgelotet werden. Die Bankenlobby wird wohl mit Verve für unser traditionelles Universalbankensystem auf die Barrikaden steigen. Mit je einer Staatsrettung für die zwei Grossbanken in nur 15 Jahren spricht politisch alles dagegen. Und die schwache Kursentwicklung an den Börsen für die Grossbanken zeigt, dass auch die Aktionäre an diesem Geschäftsmodell keine Freude haben.

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Publiziert von Hans Geiger

Hans Geiger ist em. Professor für Bankwesen, wohnhaft in Weiningen ZH.

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5 Kommentare

  1. Was könnte, bzw. müsste ich als Privatkunde einer «systemrelevanten» Bank, ungeachtet von «weiteren Themen auf der Traktandenliste der Politik» schon einmal in Eigenregie tun? Ich habe Mühe damit, zu glauben, dass in dieser Situation ein Unbehagen allein genügen soll.

  2. Das Buch «Das Ende der Banken» von Jonathan McMillan (Verlag campus) zeigt sehr detailliert «warum wir sie nicht brauchen». Zudem ist darin ein gangbarer Weg aufgezeigt um die Risiken eines «Bank-run» zu minimieren!
    Zudem müsste ein deflationäres, dezentralisiertes Geldsystem (wie z.B: mit Bitcoin) sicher positiver bewerten werden. Ein dezentralisiertes System verbürgt die Freiheit der Finanzteilnehmer; ein deflationäres System würde ein ungebremstes Wachstum wieder auf ein vernünftiges Mass zurückführen!

  3. Ist es nicht eher so, dass man 1999 ein «höchst fragwürdiges» Verbundbankensystem eingeführt hat. Das Kreditbank und Investment-Banking eigentlich getrennt sein müssten scheint mir logisch. Als Einleger (Kleinsparer) gebe ich mein Geld doch nicht zu 2% für einen «Casinobesuch» der Manager (mit Staatsgarantie), die dann die Gewinne abkassieren. Die Verluste aber «abtreten» oder verwässern können. Dann hätte ich vielleicht auch gerne 10% für das Risiko. Man finanziert quasi «Spielgeld» zu einem viel zu tiefen Risikozins. Der für Geschäfts- und Hypothekarkredite angemessen ist, aber nicht für Aktienspekulationen. Dass muss doch absolut getrennt werden. Das ist fiese Schlaumeierei zugunsten der BONI-Berechtigten.

  4. Besitzt die Eidgenossenschaft einen :
    Goldesel ?🐴

    Scheisst dieser Esel :
    Hunderte Milliarden? 🤫🤔

    Mir ist die Geldwirtschaft ein Rätsel ! 😥

    Doch hier zeigt sich :

    Der Mensch ist ein gieriges Lebewesen!

    Und bestimmt projiziert er die eigene Gier in : den bösen Wolf 🐺

    Der Wolf frisst und frisst ….🍳🍟🍔🌮🥩

    Irgendwann platzt er …👻

  5. Ein obligatorisches Trennbankensystem wäre eine simple, rasch realisierbare und wirksame Methode – Aber genau das wollen unsere gekauften Parlamentrier nun wirklich nicht.

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