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Zürich: Korrekte Beamtenstadt

Linke will «doloses Handeln» bekämpfen

Zürich hat die grösste Bürokratie unter den schweizerischen Städten. Das genügt dem Zürcher Gemeinderat aber noch nicht.

Seine links-grüne Mehrheit will die Stadt auch zur Weltmeisterin des «ethisch korrekten Verhaltens» machen. Der Gemeinderat hat kürzlich auf Antrag der Sozialdemokratischen Fraktion (SP) mit 71 Ja gegen 44 Nein Stimmen beschlossen, innerhalb der Verwaltung eine zentrale Stelle zu schaffen, die auch «dolosen Handlungen und Korruption» in der Verwaltung entgegenwirkt.

Das Geschäft geht jetzt als Postulat an den Stadtrat, der das Projekt zur Prüfung entgegengenommen hat. Für seine Antwort hat er zwei Jahre Zeit.

Beamte, so weit das Auge reicht

In den zehn grössten Schweizer Städten hat die Verwaltung von 2011 auf 2022 um 13,3% zugelegt. Das Bevölkerungswachstum betrug weniger als 10%. 2022 beschäftigten diese Städte 23,3 Angestellte pro tausend Einwohner. In den restlichen 2138 Schweizer Gemeinden lag diese Zahl im Durchschnitt bei knapp 10.

Die Stadt Zürich hat sich mit gut 28 Angestellten pro tausend Einwohner auf den unrühmlichen Spitzenplatz hervorgearbeitet; keine andere Stadt erreicht auch nur den Wert von 25. Ökonomen würden annehmen, dass dank dem Gesetz der Kostendegression die grösste Stadt günstiger arbeiten würde als die kleineren. Aber es geht nicht um Ökonomie, sondern um Macht und Bürokratie.

Kein linkes Projekt

In diesen Spalten ärgern wir uns oft über linke Politik. Der Beschluss des Zürcher Gemeinderats gilt aber nicht wirklich einem linken Projekt, er ist vielmehr Ausfluss einer bevormundenden Geisteshaltung, die uns durch eine mächtige staatliche Bürokratie zu korrekten Menschen erziehen will.

Der Widerstand im Gemeinderat kam vor allem von der Alternativen Liste (AL), der links-alternativen Partei, die sich für soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz und die Rechte von Minderheiten einsetzt. Dank dem Ablehnungsantrag der AL-Fraktion wurde das Geschäft vor einem Jahr vertagt. Bei der Neuvorlage an der Gemeinderatssitzung vom 5. Februar 2025 kam das beste Argument gegen das Projekt wieder von der AL. AL-Gemeinderätin Tanja Maag sagte:

«Es ist eine Tendenz unserer sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen, für jedes scheinbar neue Problem eine zentrale Stelle mit entsprechenden Ressourcen zu schaffen. …. Wir wollen nicht schon wieder eine neue zentrale Stelle mit entsprechenden Ressourcen schaffen. Compliance und IKS sind wichtige Themen, das ging schon hervor aus der PUK ERZ. Korrektes Verhalten ist eine Haltung und kann nicht durch eine zentrale Stelle gefördert werden.»

Beamtensprache

Was genau wollen die Stadtzürcher SP-Politiker erreichen? Ein genauer Blick auf deren Sprache erklärt vieles.

Was heisst «ethisch korrektes Verhalten» für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der städtischen Verwaltung? «Etisch korrekt» ist nicht gleichbedeutend mit «rechtlich in Ordnung». Ethik bezieht sich auf Wertvorstellungen von Individuen oder Gesellschaften. Und die Wertvorstellungen des Stadtzürcher linken Milieus sind hinlänglich bekannt. 2019 wies der Gemeinderat eine Interpellation von Susanne Brunner dreimal zurück, weil Susanne Brunner ihre Eingabe entgegen den ethischen Wertvorstellungen des Rates nicht in «gendergerechter Sprache» formuliert hatte.  Erst der Bezirksrat korrigierte den Unsinn.

Es ist anzunehmen, dass die geplante Zentralstelle, die der Stadtpräsidentin unterstellt werden soll, das ethisch korrekte Verhalten der Beamten nach den moralischen Wertvorstellungen der linksgrünen Mehrheit auslegen wird. Die einst wilden Linken sitzen heute an den Hebeln und Fleischtöpfen der Zürcher Politik und versuchen uns Normalos unter dem Titel «ethisches Verhalten» die richtige Lebens-, Sprech- und Denkart beizubringen.

Interessant ist, dass die geplante Stelle «dolose Handlungen» nicht verhindern oder verfolgen soll. Sie muss ihnen nur «entgegenwirken». Zudem soll sie «Empfehlungen» oder «Einschätzungen» ausarbeiten, zum Beispiel bezüglich der Annahme von Geschenken oder der Einstellung von Verwandten ohne Bewerbungsprozess. Erstaunlich, dass solches nicht schon längst verboten ist. 

Mit der Verwendung des kaum geläufigen Begriffs «dolose Handlung» wollen die SP-Antragsteller vermutlich sanft darauf hinweisen, dass sie über vertieftes juristisches oder lateinisches Wissen verfügen. Gemäss Lexikon ist der Begriff abgeleitet vom lateinischen “dolos” und bedeutet “arglistig” oder “trügerisch”. Ist es nicht schön, dass die linke Mehrheit dem «entgegenwirken» will?

Doppelt genäht hält schlechter

Natürlich stellt sich auch die Frage, wie es denn bisher in der städtischen Verwaltung ohne diese Ethik-Zentralstelle zu und her gegangen ist. Die Antwort: Meistens ganz ordentlich. In der Stadt Zürich gibt es eine Finanzkontrolle, eine Ombudsstelle und ein Whistleblower-System, über welches verwaltungsinterne und externe Personen Missstände und dolose Handlungen melden können. Das Whistleblower-System zeichnet sich aus durch Anonymität der meldenden Person, Vertraulichkeit der gemeldeten Information, Unabhängigkeit von der Stadtverwaltung. Die Benützung ist kostenfrei. In den letzten Jahren gab es jährlich zirka dreissig Whistleblower-Meldungen.

Die Ombudsstelle erledigte in den letzten Jahren jährlich über neunhundert Anfragen und rund fünfhundertfünfzig arbeitsintensive Geschäfte.

Die Finanzkontrolle unterstützt unter anderem den Stadtrat und den Gemeinderat bei ihren Aufsichtspflichten.

 Wozu braucht es noch eine weitere Stelle? Vielleicht nur, um zusätzlich attraktive Beschäftigungsmöglichkeiten für Nahestehende oder Verwandte zu schaffen, selbstverständlich «mit Bewerbungsprozess».

Vielleicht denken sich die linken Politiker auch: Je mehr Kontrolleure, desto besser. Das Gegenteil ist der Fall. Je mehr Kontrolleure, um so mehr denkt jeder, der andere schaue da schon hin. Und geteilte Kontrollverantwortung ist Verantwortungslosigkeit. Und auch mit hundert Kontrolleuren stellt sich die Frage, wer denn den letzten Kontrolleur kontrolliert. Wahrscheinlich der Einhunderteinte.

Die Sorgfaltspflichten des Chefs

Statt mehr Bürokratie sollten sich die Stadtzürcher Behörden auf einen alten, römischen Grundsatz besinnen: Die drei Sorgfaltspflichten des Dienstherrn (generisches Maskulinum):  Die “cura in eligendo, instruendo, custodiendo”: Der Dienstherr – modern der Chef – ist immer verantwortlich für die sorgfältige Auswahl, Instruktion und Überwachung seiner Untergebenen. Das ist seine Sorgfaltspflicht. Damit ist er verantwortlich für das, was in seinem Bereich geschieht oder nicht geschieht. Die Nichteinhaltung dieser Sorgfaltspflichten ist ein Fehlverhalten und muss zu Konsequenzen führen. Nicht der Kontrolleur ist verantwortlich, sondern der Chef.

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Publiziert von Hans Geiger

Hans Geiger ist em. Professor für Bankwesen, wohnhaft in Weiningen ZH.

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Ein Kommentar

  1. Der heute in den Regierungen grösserer Schweizer Städte und ihren administrativen Behörden dominierende linksliberale Pluralismus erlaubt es diesen, durch den von ihnen postulierten Grundatz der Werte-Relativität jegliche bisher gültigen gesellschaftlichen Werte nach Belieben zu manipulieren oder in ihr Gegenteil umzudeuten. Wie weit diese Umdeutungen fortgeschritten sind, lässt sich im Rückblick auf die letzten 30 Jahre erkennen.

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