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Zürich lässt sich vom Land verköstigen

In der 50er Jahren hatten wir den konfessionellen Graben, dann kam der Röstigraben. Jetzt haben wir den Stadtgraben.

Die Stadt Zürich hat eine rot-grüne Regierung, ein rot-grü-nes Parlament, beide gewählt von einer linken Wählerschaft. Robert Nef, Gründer und lang-jähriger Präsident des Libera-len Instituts, sieht in der rot-grünen Wählerschaft «eine neue Klasse von Umvertei-lungsempfängern und Staats-lohn-Finanzierten».

Zürich als Wohlfühloase

Nach einer Untersuchung der NZZ ist der Stadt-Land-Gra- ben so gross wie nie in den letzten 40 Jahren. Die Zwingli- stadt mutiert zu einer Wohlfühloase, sie kündigt den histo- rischen Parkplatzkompromiss, verdrängt den Autoverkehr, will Fahrspuren reduzieren, will überall Tempo 30, will 50 Kilometer exklusive Velostrassen, weigert sich aber, die elementarsten Verkehrsregeln gegenüber den Velofahren- den* durchzusetzen. Der gemeinnützige Wohnungsbau und der subventionierte Kulturbetrieb geniessen die besondere Zuneigung der Politik. Beamtenintensität und Betreuungs- dichte sind in der Stadt sehr viel höher als ausserhalb der Stadtmauern. Die Stadt weigert sich je länger desto mehr, ihre Rolle als Zentrum zu spielen. Dieser Zentrumsrolle verdankt sie aber die grosse wirtschaftliche Wertschöpfung und eine schweizweite und internationale Ausstrahlung.

Man könnte das alles als demokratisch legitimiert bezeich- nen. Dass linke Wähler ein linkes Parlament und eine linke Regierung wählen, die dann eben «linke» Politik betreibt, scheint irgendwie logisch. Allerdings passt diese Politik nicht zum Anspruch, ein geistiges, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum zu sein. Und noch weniger passt, dass sich die Wählerinnen und Wähler der Stadt Zürich ihre Wohlfühloase durch die «dummen Agglos» bezahlen lassen. Gleichwohl lässt sich die Stadt Zürich von den Ge- meinden und deren Steuerzahlern ihre «Zentrumslasten» mit 408 Millionen Franken pro Jahr (2021) vergüten, ganz nach dem Motto «Wer zahlt, hat nichts zu sagen».

Gemeindemehr analog Ständemehr?

In der Eidgenossenschaft sorgt bei wichtigen Entscheiden, bei Änderungen der Verfassung, neben der Stimmenmehr- heit das Ständemehr für einen Ausgleich zwischen Gross und Klein, zwischen Stadt und Landschaft. In Anlehnung an das Ständemehr werden jetzt Vorschläge laut, diesen Korrekturmechanismus in Form eines «Gemeindemehrs» auch im Kanton einzuführen. Bei wichtigen Vorlagen könnte die Grosszahl der städtischen Stimmbürger die Stimmbürger im Rest des Kantons nicht mehr überfahren.

Die ist eine sehr gute Idee, aber ein entsprechendes poli-tisches Projekt dürfte viele Jahre in Anspruch nehmen.

Einfacher und schneller wäre die Einführung des Grundsatzes «Wer zahlt, befiehlt». Betrachten wir den kantonalen Finanzausgleich, gemäss dem die Stadt für ihre Zentrumsaufgaben über 400 Millionen Franken erhält; jährlich. Es ist allgemein anerkannt, dass grosse Städte aufgrund ihrer Zentrumsfunktion eine erhöhte Belastung tragen. Der Regierungsrat sagt in seinem Rechenschaftsbericht, es gebe keine wissenschaftlich anerkannte Methode zur Bezifferung von Zentrumslasten. Deren Höhe müsse auf dem politischen Weg festgelegt werden. Das ist einerseits eine ziemlich schäbige Ausrede. Es geht nicht um wissenschaftliche Methoden, sondern um eine einfache Betriebsbuchhaltung, wie sie jedes grössere Unternehmen kennt. Anderseits legt der Regierungsrat seine politischen Überlegungen zur Höhe der Zentrumsentschädigung gerade nicht dar. Und er gibt damit der Stadt massive Fehlanreize.

Was ist zu tun?

Erstens muss der Regierungsrat eine solide Schätzung der Kosten der Zentrumslasten der Stadt erstellen. Und dann muss er einen Vorschlag für eine angemessene Entschädigung der Stadt machen. Die 408 Million Franken sind unangemessen hoch. Zweitens: Wenn der Regierungsrat das nicht macht, muss der Kantonsrat die entsprechenden Beschlüsse fassen. Drittens: Wenn auch der Kantonsrat die Arbeit verweigert, können 6’000 Stimmberechtigte mit einer Gesetzesinitiative Regierung und Parlament zum Handeln zwingen. Der Text einer solchen Initiative könnte wie folgt lauten: «Die Stadt Zürich ist vom Finanzaus- gleich auszuschliessen.» Das brächte pro Jahr immerhin 89 Millionen Franken Mindereinnahmen für die Stadt, und es gälte wieder «Wer zahlt, befiehlt».

von Hans Geiger

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Publiziert von Schweizerzeit

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Ein Kommentar

  1. Ist schon eine gute Sache, das mit der Förderung des Veloverkehrs. Grosse Städte wie Amsterdam oder Paris zeigen wie’s geht. So wird in Paris, mit Ausnahme einiger sehr breiten Strassen, zukünftig nur noch mit Tempo 30 gefahren. Gut, dem kann entgegen gehalten werden, dass das in Zürich nicht geht, weil Zürich eine viel wichtigere Stadt ist :-)).
    In Amsterdam und anderen Städten haben die Regierenden begriffen, dass es Sinn macht, Velostrassen und Brücken zu bauen, so dass alle Verkehrsteilnehmer und die Umwelt profitieren. Diese Regierenden überzeugen jedoch mit Weitsicht, und setzen nicht immer nur den rechten Blinker.

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