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Zum winterlichen Jahrestreffen der Global Leaders – Minus 10 Grad Celsius und viel warme Luft

Das Weltwirtschaftsforum, kurz WEF, wurde 1971 von Klaus Schwab gegründet. Er hat damit Davos weltbekannt gemacht. Nach eigener Wahrnehmung ist es «unabhängig, unparteiisch und an keine besonderen Interessen gebunden».

Es sei bestrebt, «bei all seinen Bemühungen unternehmerisches Handeln im globalen öffentlichen Interesse zu demonstrieren und dabei die höchsten Standards der Unternehmensführung einzuhalten. Moralische und intellektuelle Integrität steht im Mittelpunkt seines Handelns». Das tönt wie die Gebrauchsanweisung für eine Sonntagsschule – oder eben wie warme Luft.

Die Elite

Eher elitär als sonntagsschulisch ist die Beschreibung der eigenen Aktivitäten: Sie seien von «einer einzigartigen institutionellen Kultur geprägt, die auf der Stakeholder-Theorie basiert, die besagt, dass eine Organisation gegenüber allen Teilen der Gesellschaft rechenschaftspflichtig ist».

Und echte Elite sind offensichtlich die Teilnehmer des Forums: Es bringt die führenden Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und anderen Bereichen der Gesellschaft zusammen, um globale, regionale und industrielle Agenden zu gestalten.

Höhenflüge von Klaus Schwab

Davos liegt auf 1560 Meter über Meer. Klaus Schwab schwebt in höheren Gefilden. Im Januar 2019, als die Welt noch in Ordnung war, kündigte der Gründer des Forums eine neue wirtschaftliche Ära an: Globalisierung 4.0. Er wollte mit den führenden Persönlichkeiten aus allen Sektoren und allen Teilen der Welt darüber diskutieren, «wie man gemeinsam die anstehenden Herausforderungen bewältigen kann».

Die Corona-Pandemie beflügelte das WEF zu weiteren Höhenflügen. Beim virtuellen Treffen im Juni 2020 stellte Schwab wieder einmal eine neue Initiative vor: «The Great Reset» («Der Grosse Umbruch»), die sich mit der Frage befasst, wie die Weltwirtschaft nach der Covid-19-Pandemie nachhaltiger und gerechter gestaltet werden könne.

Schwab  veröffentlichte im Juli 2020 ein Buch mit dem Titel «Covid-19: Der grosse Umbruch». Darin schreibt er: «Es geht darum, die Welt weniger gespalten, weniger verschmutzend, weniger zerstörerisch, integrativer, gerechter und fairer zu machen, als wir sie in der Zeit vor der Pandemie hinter uns gelassen haben.» Da kann man nur sagen: Sapperlot!

Das WEF im Tiefflug

Heuer sind lediglich die vielen Privatjets der Teilnehmer im Höhenflug. Von den grossartigen Visionen ist nichts übriggeblieben. Die «führenden Persönlichkeiten aus allen Teilen der Welt» sind weg. Von den Staats- und Regierungschefs der G7-Länder, den bedeutendsten Industriestaaten der westlichen Welt, erscheint heuer ein einziger.

Auch Wladimir Putin fehlt. Klaus Schwab hat ihn und alle russischen Politiker und Führungskräfte ausgeschlossen. Früher war Präsident Putin ein gern gesehener Gast und Sprecher in Davos. Jetzt hat das WEF den Eintrag zu Putin in der Rubrik «People» auf seiner Website gelöscht.

Soviel zum Thema «unabhängig, unparteiisch und an keine besonderen Interessen gebunden».  Kim Jong-Un, «Chairman, State Affairs Commission» von Nordkorea, ist mit Bild hingegen nach wie vor präsent. Vertreter (nur männliche?) aus dem Iran sind weiterhin willkommen. Im Iran werden derzeit im Wochenrhythmus nach politischen Scheinprozessen Hinrichtungen durchgeführt.

Davos 2023

Das WEF in Davos steht dieses Jahr unter dem Slogan «Cooperation in a Fragmented World», Zusammenarbeit in einer zerstückelten Welt. Ein Lieblingsthema von Klaus Schwab, die Globalisierung, ist verschwunden.

Die Traktandenliste ist nichtsdestotrotz eindrucksvoll. Folgende grosse Themen werden besprochen, immer «im Kontext» mit irgendetwas: Die Energie- und Lebensmittelkrisen, die hohe Inflation, der Gegenwind für die Nutzung neuer Spitzentechnologien, soziale Verletzlichkeiten bei Arbeit, Qualifikation und Pflege, geopolitische Risiken im Kontext eines neuen Systems von Dialog und Zusammenarbeit (Zwischenruf: «Dialog mit Russland?»). 

Der neue Hype: The Global Cooperation Village

Ein Thema kann Klaus Schwab nicht lassen: «Die Welt in ihrer systemischen Komplexität». Diese will er intellektuell meistern – und diesmal mit dem neusten technologischen Hype, dem Metaversum.

Die neue Initiative des WEF nennt sich «Global Cooperation Village». Nach dem WEF’schen Selbstverständnis leistet das Forum damit Pionierarbeit in der Form der «ersten globalen, zweckorientierten Metaverse-Plattform», um damit die nachhaltige Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor zu fördern und Massnahmen anzustossen, die in grossem Massstab Wirkung zeigen.

Der alte Hype: Think Tools

Dies ist nicht der erste Vorstoss von Klaus Schwab und dem WEF in die Höhen oder Tiefen informationstechnischer Wunderdinger. Im Jahr 2000, auf dem Höhepunkt der Dotcom-Blase, kam die Firma Think Tools AG an die Schweizer Börse. Die Idee dahinter war ein System, das wir heute als «künstliche Intelligenz» bezeichnen würden. Der Emissionspreis betrug 270 Franken, am ersten Handelstag wurden 1’050 Franken bezahlt, was einem Firmenwert von über einer Milliarde Franken entsprach.

Knapp drei Jahre später betrug der Wert einer Aktie Fr. 8.20. Das WEF und Schwab förderten das Projekt prominent; Schwab war zudem Investor und Verwaltungsrat der Firma. Deren Aushängeschild, der Philosoph Albrecht von Müller, durfte das Wunderwerk am WEF in Davos vorstellen. Böse Zungen behaupteten, dass es sich dabei lediglich um eine Anwendung mit Excel gehandelt habe, dem Tabellenkalkulationsprogramm von Microsoft.

Der Zauberberg

Zum diesjährigen Davos-Forum empfiehlt die Financial Times den anwesenden Staats- und Regierungschefs eine Fahrt mit der Seilbahn zum Hotel Schatzalp, das Thomas Mann als Vorbild für das Sanatorium im Roman «Der Zauberberg» diente.

Von dort aus habe man die beste Aussicht auf Davos und könne in Ruhe darüber nachdenken, wie man verhindern könne, dass Krieg und Naturkatastrophen die Weltwirtschaft erneut überrollten.

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Publiziert von Hans Geiger

Hans Geiger ist em. Professor für Bankwesen, wohnhaft in Weiningen ZH.

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6 Kommentare

  1. Und diese Schrottveranstaltung müssen die SteuerzahlerInnen noch mit Millionen subventionieren, während die WEF Organisation ein hochprofitables Unternehmen ist!

  2. Sehr guter Kommentar! Auch wenn an diesem WEF-Treffen von einer «fragmentierten» Welt gesprochen wird, hat Klaus Schwab sein Ziel einer Weltregierung nicht aufgegeben. Seine von David Rockefeller übernommene Vision einer durch die Finanzeliten dominierten Weltregierung (s. Bilderberger Treffen, Baden, Deutschland, Juni 1991) schwebt ihm weiterhin als strategisches Endziel vor, auch wenn «taktische» Zwischenziele (WEF 2023: «Kooperation in einer fragmentierten Welt») dazu notwendig sind.

  3. Und das alles wird von Gates, Soros und Konsorten finanziert. Dummerweise bezahlt auch die Schweizer Regierung, in Form der Hilfe durch die Armee, mit. Das sind Ausgaben von Steuergelder, bei denen das Schweizer Volk nie gefragt wurde, ob sie das finanzieren wollen. Eine Schande, diese Regierung!

  4. Sehr guter Artikel, der auch den einen und andern Lacher auslöst.
    The Great Resett, Metaverse usw. die neuesten WEF Schwab Hype Schlagwörter.
    Visionen sind allemal richtig, wenn die jedoch zu weit, neben den Schuhen stehen dann sollte man das lassen und sich auf solche, mit kalkulierbarer Umsetzbarkeit, sowie Risiken konzentrieren und prüfen, ansonsten endet das wie mit der Dotcom Blase usw. sowie Geistigen Ressourcen und Kaptalvernichtung.
    Das mit seinem -The Great Reset- sowie Metaverse usw. ist vor allem etwas für Verschwörung Theoretiker, die sich am Thema nach Herzenslust austoben können.
    Der Schwab etwas Weltabgehoben ein Prediger in Sache fast religiöser Zukunft Phantastereien mit zu vielen Nullrunden.
    Die Sachen und Probleme etwas nüchterner und auf dem Boden der Erde, ohne Scheuklappen angehen, würde mehr brauchbare und umsetzbare Visionen und nachhaltige Ergebnisse und damit eine etwas bessere Welt bringen.

  5. Die Schweiz bezahlt tatsächlich seit 1971 für den Schutz von Superreichen, die sich angeblich fürs Gute auf dieser Welt einsetzen. Welchen Nutzen hatten diese jährlichen Treffen? Dass Superreiche besprechen können, wie sie noch stärker von der arbeitenden Bevölkerung profitieren könnten?
    Hätten diese Leute nur Gutes vollbracht und weiterhin vor, bräuchten sie doch nicht Polizei und Militär, um sie zu beschützen.
    Wieso kommt die Schweiz nicht auf die Idee, für die Arbeitsleistung durch Polizei und Militär Rechnung zu stellen???

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