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Keine Kompromisse – die E-ID muss freiwillig sein

Überraschend knapper Abstimmungsausgang als Wendepunkt

Was für eine Klatsche für SRG, Polit-Establishment und die Überwachungs-Lobby: Entgegen allen Voraussagen wurde es bei der E-ID am Ende richtig knapp. Das Ja-Lager setzte sich am 28. September mit 50,39 Prozent nur hauchdünn durch, lediglich rund 21’000 Stimmen machten den Unterschied. Ein fahler Beigeschmack bleibt alleweil: Zu offensichtlich manipulativ waren die Abstimmungsumfragen, zu dreist die Grenzüberschreitungen staatsnaher Betriebe wie der Swisscom. Jetzt muss mit aller Kraft erreicht werden, dass die E-ID (wie von den Befürwortern immer hoch und heilig versprochen) auf jeden Fall freiwillig sein wird – deuten gewisse dunkle Vorzeichen doch darauf hin, dass auch diese Beschwichtigung nicht von langer Dauer bleiben dürfte…

Im Vorfeld mischten sich mehrere staatsnahe Unternehmen massiv und einseitig in den Abstimmungskampf ein. So unterstützte die Swisscom (mehrheitlich im Besitz des Bundes) die Pro-Kampagne mit 30’000 Franken und nutzte ihre eigenen Medienkanäle wie z.B. «Blue News» für einseitige Berichterstattung. Auch die Ringier AG («Blick»-Gruppe etc.) und die TX Group AG («Tages-Anzeiger», «20 Minuten» etc.) leisteten «nichtmonetäre Zuwendungen» an die Ja-Kampagne zur E-ID, wie die Offenlegungs-Stelle für Politikfinanzierung der Eidgenössischen Finanzkontrolle offenbart. Die beiden Medienhäuser stellten den E-ID-Befürwortern kostenlosen Werberaum im Umfang von mindestens 163’000 Franken zur Verfügung.

Staatsbetriebe ohne Hemmung

Staatsnahe Betriebe und erst recht solche, welche mehrheitlich in Staatsbesitz sind, wären bei politischen Auseinandersetzungen an das verfassungsrechtlich verankerte Gebot der staatlichen Neutralität gebunden. Doch das kümmerte die Allianz aus staatlichen und halbstaatlichen Playern in diesem Abstimmungskampf herzlich wenig. Noch selten zuvor wurde so krass gegen dieses Prinzip verstossen. Nebst der Swisscom traten in den letzten Monaten insbesondere die Post AG und die SwissSign Group AG (SwissID) öffentlich als Befürworter der E-ID auf. Sie alle machten keinen Hehl daraus, dass sie direkt vom E-ID-Gesetz profitieren würden. Es geht immerhin um veranschlagte «Entwicklungs- und Betriebskosten» im Umfang von 180 Millionen Franken, welche die Einführung der E-ID verspricht.

Angesichts des hauchdünnen Ausgangs der E-ID-Abstimmung stellt sich nun die ernsthafte Frage, inwiefern diese «nicht koscheren» Manöver von Swisscom und Co. das Abstimmungsresultat beeinflusst haben und dadurch ein «systemisches Machtungleichgewicht» geschaffen wurde, welches die politischen Rechte gemäss Art. 34 BV verletzte. Insofern halte ich die diversen Abstimmungsbeschwerden, die in den letzten Tagen eingereicht wurden (unter anderem von der EDU), in diesem konkreten Fall durchaus für gerechtfertigt. Wenn auch nur der Hauch eines Zweifels besteht, dass hier Menschen auf ungerechtfertigte Weise in ihrer freien Willensbildung beeinflusst worden sind, darf man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Das Vertrauen in die Demokratie ist zu wichtig, als dass es weiteren Schaden nehmen darf, der (wie leider bei Corona!) nicht aufgearbeitet wird.

Beschwerden chancenreich

Als «insgesamt unzulässig» bezeichnet etwa Andreas Glaser, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Zürich, die Abstimmungsspende der Swisscom gegenüber «20 Minuten». Dass die Swisscom einen eher indirekten Bezug zur E-ID und einen hohen Betrag gespendet habe, mache den Fall «noch kritischer». Ähnlicher Meinung ist mit Felix Uhlmann ein weiterer renommierter Experte. «Die Beschwerde ist sicher nicht chancenlos», sagt der Professor für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Rechtsetzungslehre an der Universität Zürich auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Klar: In den letzten Jahren gab es mehrere ultraknappe Abstimmungsresultate. Man erinnere sich nur an die Masseneinwanderungsinitiative, die im Februar 2014 mit 50,3 Prozent Ja-Stimmen angenommen wurde. Obwohl viele Linke dagegen Zeter Mordio schrien und teils mit illegalen Demos gegen den Volksentscheid Radau machten, wurde das Ergebnis letztlich von der Allgemeinheit nicht in Frage gestellt. Damals wurden aber auch keine Staatsgelder für die Ja-Kampagne gespendet – im Gegenteil: Die Initiative setzte sich trotz einer geballten Übermacht von Behörden, Verbänden und Medien durch. Und im Gegensatz zur E-ID, die von der Mehrheit der Kantone (15,5 Stände) abgelehnt wurde, schaffte die Masseneinwanderungsinitiative damals das Ständemehr.

Manipulative Abstimmungsumfragen

Eine erneut sehr zweifelhafte Rolle haben im vergangenen Urnengang die Abstimmungsumfragen gespielt. Die SRG veröffentlichte zum Beispiel am 17. September 2025 (nur elf Tage vor dem Abstimmungstermin) eine sog. «Trendumfrage», wonach angeblich nur 11 Prozent («eher dagegen») respektive 27 Prozent («bestimmt dagegen») Nein zum E-ID-Gesetz stimmen würden. Die SRG vermittelte also in einer entscheidenden Phase des Abstimmungskampfes das Bild, dass die Vorlage bereits deutlich gescheitert sei. Es liegt auf der Hand, dass dieses (letztlich als grobe Verzerrung nachgewiesene) Stimmungsbild viele Bürger demotiviert hat. Wenn eine Abstimmungsumfrage der «seriösen», gebührenfinanzierten SRG verkündet, dass das Rennen quasi gelaufen sei, verwundert es nicht, dass nicht wenige E-ID-Gegner ihre Aktivitäten frühzeitig eingestellt haben. Nicht anders übrigens die Umfragen von Tamedia und Co. So kann mit Umfragen Politik betrieben werden – und zwar nicht das erste Mal!

Dass Abstimmungsumfragen in der heissen Phase von Abstimmungskämpfen publiziert werden, ist sachlich nicht zu rechtfertigen und staatspolitisch extrem heikel. Was bringen solche Umfragen, wenn am Schluss ohnehin nur das Endresultat einer Abstimmung entscheidend ist? Was anderes bewirken sie, als dass sie die Bürger beeinflussen und je nachdem das eine oder das andere Lager mobilisieren oder demotivieren? Ich bin überzeugt: Solche Abstimmungsumfragen müssen verboten werden – mindestens in den letzten 30 Tagen vor einer eidgenössischen Volksabstimmung.

Freiwilligkeit im Gesetz verankern

Es ist völlig offen, welchen Erfolg die Abstimmungsbeschwerden gegen die E-ID haben werden. Darum sind wir besser beraten, wenn wir auf politischem Wege zu retten versuchen, «was noch zu retten ist». Dazu gehört, das E-ID-Gesetz so nachzubessern, dass die freiwillige Nutzung der E-ID durch die Bevölkerung auch wirklich vollumfänglich gewährleistet ist. Wer den Gebrauch einer E-ID ablehnt und sich auf sein Recht auf digitale Enthaltsamkeit beruft, darf dadurch gegenüber den Nutzern der E-ID keinerlei Nachteile erfahren.

Die Befürworter wurden im Abstimmungskampf nicht müde zu betonen, dass die E-ID freiwillig werde – obwohl diese Freiwilligkeit im Gesetz nicht verankert ist. Nicht überraschend kommt jetzt erst bei vielen das Erwachen – nachdem beispielsweise der britische Premierminister kürzlich bekannt gab, dass in Grossbritannien niemand mehr arbeiten können soll, der keine E-ID besitzt. Und die NZZ schrieb am 29. September – nur einen Tag nach der Volksabstimmung: «Mittelfristig könnte es sein, dass gewisse Online-Dienste nur noch mit der E-ID funktionieren.» Deshalb ist die Freiwilligkeit schnellstmöglich mit einer Motion ins Parlament zu tragen, damit sie noch vor der geplanten Einführung der E-ID explizit im E-ID-Gesetz verankert werden kann.

Publiziert von Anian Liebrand

Anian Liebrand ist seit April 2024 Chefredaktor der «Schweizerzeit». Er ist selbständiger Unternehmer, Inhaber und Geschäftsführer der Politagentur.ch GmbH. Er ist seit Jugendjahren politisch aktiv und amtete u.a. als Präsident der Jungen SVP Schweiz.

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Ein Kommentar

  1. Mit Allem einverstanden. Wir müssen zweigleisig vorgehen. Ob eine Beschwerde Erfolg hat ist unwahrscheinlich, trotzdem möglich. Die “Freiwilligkeit” muss aber darum klipp und klar im Gesetz formuliert werden, und zwar dahingehend, dass man alles auch ohne E-ID machen kann. Also nicht so wie bei Corona “man muss sich ja nicht impfen lassen, kann aber dies und jenes nicht mehr machen”. Das ist/war nicht freiwillig sondern Nötigung. Oh je, die Baustellen werden immer mehr, als hätten wir nicht schon genug Probleme.

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