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Die Schweiz bleibt die Schweiz

Vorzeitiges Ende des EU-Rahmenvertrags

Mit dem Abbruch der Verhandlungen über den der Schweiz von der Europäischen Union zugemuteten «Rahmenvertrag» – in Wahrheit ein Unterwerfungsvertrag – respektiert der Bundesrat endlich, dass der Schweizer Souverän bereits am 6. Dezember 1992 den EU-Beitritt definitiv abgelehnt hat.

Damals, am 6.Dezember 1992, verwarf der Schweizer Souverän den
Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), vom Bundesrat
zuvor ausdrücklich als «Trainingslager zum EU-Beitritt» etikettiert – nachdem die Landesregierung das Gesuch um Beitritt der Schweiz zur EU noch vor der Abstimmung in Brüssel deponiert hatte.

Der Bundesrat gegen das Volk
Das damalige Nein von Volk und Ständen hat Bundesberns Classe politique (Bundesratsmehrheit, Parlamentsmehrheit, Bundesverwaltung) bis 2021 freilich nie respektiert. Die Stimmbürger sahen in den danach zwischen Bern und Brüssel ausgehandelten Bilateralen Verträgen eine definitive Grundlage für geordnete Wirtschaftsbeziehungen mit dem Freihandelsvertrag von 1972 als Fundament – ohne Preisgabe der politischen Eigenständigkeit der Schweiz.

Bundesbern verfolgte mit diesen Verträgen indessen ein als «strategisch» etikettiertes «Ziel EU-Beitritt» (Bundesrat Flavio Cotti), das wenig später gar
zu einem «in Ausführung begriffenen Projekt» (Bundesrat Joseph Deiss) erhöht wurde – ohne Souverän im Rücken. Nur Brüssel nahm diese bundesrätliche Utopie ernst, zumal Bundesbern damit die eigene Position in allen Verhandlungen mit Brüssel deutlich schwächte: Warum sollte die EU der Schweiz in wichtigen Fragen entgegenkommen, wenn deren Regierung laufend ihren Willen bekundete, der EU schliesslich als Vollmitglied beitreten zu wollen?

Aus dieser gegensätzlichen Zielsetzung resultierte ein dreissigjähriger politischer Kampf: Bundesbern wollte den EU-Beitritt erzwingen und die Schweiz dem Brüsseler Zentralismus unterwerfen. Die SVP, die Auns, die
«Schweizerzeit» und andere wollten – dem Entscheid des Souveräns von 1992 folgend – den EU-Beitritt verhindern, der Schweiz also Eigenständigkeit und Volkssouveränität mit Direkter Demokratie erhalten.

Auftakt zum Finale
Am 21.Dezember 2012 verlangte die EU-Kommission formell die «institutionelle Anbindung» der Schweiz an die EU. Eine Mehrheit im Bundesrat bekundete unverzüglich Einverständnis und schlug dazu die Schaffung eines alle Einzelvereinbarungen mit der EU verbindlich überdachenden «Rahmenvertrags» vor. Schon am 13. Mai 2013 lag ein Vorvertrag («Non-Paper») mit allen den späteren Rahmenvertrag prägenden, die Souveränität der Schweiz begrabenden Elementen vor.

Die Nein-Front schlief indessen nicht: Bereits im August 2013 präsentierte sich den Medien und der Öffentlichkeit das Abstimmungskomitee «EU-No»,
präsidiert von Christoph Blocher. Es verschrieb sich mit Haut und Haar dem Kampf gegen diesen Eigenständigkeit und Souveränität massiv beeinträchtigenden Unterwerfungsvertrag – gegen Bundesbern und gegen eine nahezu geschlossene Medienfront.

Der Kampf hob seltsam an: Intellektuelle Kreise um alt Botschafter Benedikt von Tscharner und den ehemaligen Zürcher Regierungsrat Markus Notter riefen beschwörend auf zu «vertiefendem Dialog» über die
Souveränität. Doch mit spitzfindigen, stets wieder neu erfundenen abwegigen Begründungen entzogen sie sich jeglicher öffentlichen Diskussion – obwohl vom Komitee «EU-No» wiederholt zu öffentlichen, kontradiktorischen Veranstaltungen unter neutraler Leitung eingeladen. Diejenigen, welche die Souveränität der Schweiz aufgeben wollten, fühlten sich ihrer Sache offenbar allein im Monolog unter Ihresgleichen gewachsen.

Die Schwächen des Rahmenvertrags
Der Bundesrat, ursprünglich raschen Vertragsabschluss anstrebend, zögerte Parlamentsdebatte und Volksabstimmung immer weiter hinaus, offensichtlich realisierend, dass die Schwächen des Rahmenvertrags zusehends durchschaut wurden: Während die vom Stimmvolk wiederholt begrüssten Bilateralen Verträge die vollumfängliche Gleichwertigkeit beider Vertragsparteien, der

EU wie der Schweiz, hochhielten, verlangte die EU mit dem Rahmenvertrag die vorbehaltlose Unterwerfung der Schweiz unter alle Beschlüsse, die Brüssel einseitig als «binnenmarktrelevant» erklärt. Würde sich die Schweiz widersetzen, müsste sie sich vor dem EU-Gerichtshof, dem höchsten Gericht der Gegenseite, verantworten und die von diesem Gericht ausgesprochenen Sanktionen akzeptieren. Damit wäre die Gleichberechtigung, wie sie der Bilateralismus vorsieht, tot!

Die Zeit arbeitete gegen Bundesbern: Als erste erkannten die Gewerkschaften, dass der Ausverkauf der Schweizer Souveränität an Brüssel sie um ihren Einfluss auf die weitere Ausgestaltung der Sozialpartnerschaft bringen würde. Und Economiesuisse, auf Funktionärsebene nahezu blindwütige Befürworterin der Zerstörung schweizerischer Eigenständigkeit, sah sich zunehmend mit der Tatsache konfrontiert, dass eigenständige Unternehmer für sie unabdingbare Entscheidungsfreiheit keinesfalls der Brüsseler Gleichschaltungspolitik zu opfern bereit waren.

Die sich in Brüssel durchsetzenden, selbst grundlegende Bestimmungen im EU-Vertrag zu Makulatur verkommen lassenden Eigenmächtigkeiten Merkels und Macrons bezüglich Überschuldung und Zinsnullungspolitik, bezüglich Masseneinwanderung, bezüglich der vertragswidrigen «Vergemeinschaftung der Milliarden-Überschuldung» zulasten vor allem der deutschen Steuerzahler, zugunsten eigentlich bankrotter, ins Euro-Korsett eingeschnürter EU-Mitgliedstaaten liessen den Appetit zur Unterwerfung der Schweiz unter EU-Willkür fortlaufend erodieren.

Das Lamento der Schweiger
Nach monatelangen kontroversen Diskussion, nach weiteren Sondierungen in Brüssel sah der Bundesrat schliesslich ein: Den vom Rahmenvertrag verlangten Souveränitätsverlust würde das Stimmvolk in der Schweiz nie schlucken. So kam es am 26.Mai 2021 zum Abbruch der Verhandlungen aufgrund unüberbrückbarer Differenzen mit Brüssel.

Kaum war dieser Entscheid bekannt, erhob sich das Lamento jener, die sich zuvor der öffentlichen Diskussion stur verweigert hatten. Der Chor der vom Bundesrat schwer Enttäuschten schwoll um so mehr an, weil die Medien, schweizerischer Eigenständigkeit offenbar längst überdrüssig geworden, fast nur noch Gegner des Verhandlungsabbruchs zu Wort kommen lassen.

Man hätte das Volk abstimmen lassen sollen, maulen jene, die sich der Diskussion vor dem Volk jahrelang verweigert haben. Worüber denn? Hätte der Bundesrat um Annahme eines Vertrags ersuchen sollen, den er selbst
als nicht tauglich erachtet? Oder hätte er ihn mit der Aufforderung zur Ablehnung in die Abstimmung geben sollen? Andere vermissen lautstark einen «Plan B». Wer jemals wichtige, schwierige Verhandlungen zu führen
hatte, weiss nur zu genau: Man muss im Hinterkopf immer Beschlüsse in Bereitschaft halten, die umgesetzt werden, wenn ein anvisiertes Verhandlungsziel nicht erreicht werden kann. Den «Plan B» muss man besitzen, aber doch nicht an die grosse Glocke hängen! Er geht den Verhandlungsgegner nichts an.

Und schliesslich werden uns «schlimme Folgen» prophezeit – ziemlich fern jeglicher realistischen Einschätzung existierender Tatsachen: Seit Jahren kaufen Schweizer Firmen in der EU weit mehr ein, als sie dorthin verkaufen. Die Schweiz ist Kundin der EU! Und zwar – keinesfalls selbstverständlich für die EU – zahlungsfähige Kundin. Was sollen da Boykottdrohungen? Wollen EU-Bürokraten erreichen, dass in der Schweiz
keine VWs, keine Audis, keine BMWs und keine Mercedes mehr erhältlich sind? Was für ein Unsinn! Lassen wir die Zeterer zetern. Jene, die die Wirtschaft Tag für Tag am Laufen halten, werden bald wieder die Oberhand gewinnen über täubelnde Bürokraten zu Brüssel.

Verdienst und Dank
Nicht vergessen werden darf aber heute, dass die Auseinandersetzung um die (erneut verhinderte) EU-Einbindung der Schweiz einen Namen trägt: Christoph Blocher. Seinem gut dreissigjährigen, nie erlahmenden Einsatz verdankt die Schweiz, dass unser Land weder mit dem «EU-Trainingslager» noch mit dem seine Souveränität zerstörenden Rahmenvertrag «beglückt» werden konnte.

Christoph Blocher wird in die Schweizer Geschichte eingehen als jene Persönlichkeit, die in den beiden wichtigsten politischen Auseinandersetzungen nach dem Zweiten Weltkrieg – jener zum EWR-Beitritt und jener zum EU-Rahmenvertrag – der Schweiz Eigenständigkeit und Souveränität erhalten hat. Die Schweizerinnen und Schweizer sind ihm dafür zu hohem Dank verpflichtet: Die Direkte Demokratie lebt!

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Publiziert von Ulrich Schlüer

Dr. Ulrich Schlüer ist Historiker, Verleger und alt Nationalrat des Kantons Zürich. 1979 gründete Dr. Ulrich Schlüer die «Schweizerzeit», welche als bürgerlich-konservatives Magazin für Unabhängigkeit, Föderalismus und Freiheit bis heute erfolgreich seine Leserschaft bedient.

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Ein Kommentar

  1. 1956 – nach der blutigen Niederschlagung des ungarischen Freiheitskampfes bin ich in die Schweiz gekommen. Ich erinnere mich heute noch an den grossartigen Empfang der gesamten politischen Palette, mit wenigen Ausnahmen…
    Diese Schweiz hat sich – leider – völlig verändert, selbst die NZZ – vom Tages Anzeiger gar nicht gesprochen, vertreten eine antidemokratische Sicht, genannt Liberalismus! Reden wir noch kurz über das Staatsfernsehen SRG, das unverschämterweise mit unwahren «Berichten» auf Kosten der Steuerzahler! – die Zuschauer betrügt. Wie lange kann und/oder muss der Bundesrat untätig zuschauen?

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