Für das Gute
Professionelles und Unprofessionelles aus der Bundesstadt
Bei den Pfadi haben wir gelobt, «jeden Tag eine gute Tat zu tun». Eine Yoga-Weisheit sagt «Sei gut, tue Gutes». Denn ein guter Mensch sei immer glücklich. Das Gute ist der Sieg über das Schlechte, nicht einfach die Abwesenheit des Schlechten.
Doch was nützt das Gute, wenn keiner weiss, dass ich gut bin und Gutes tue? Die Public Relations (PR) Bewegung entwickelte deshalb in den 1960er Jahren den Slogan «Tue Gutes und rede darüber». Das war sehr erfolgreich, aber halt auch teuer und anstrengend.
Die Berater der «Klimajugend» haben die Lehre vom Umgang mit dem Guten eine Stufe weiterentwickelt. Der neue Slogan lautet «Tue Gutes und lass darüber berichten». Aus heutiger Sicht ist dies das ultimative Rezept für den Umgang mit dem Guten.
Meister der Kommunikation
Das neue Rezept «Tue Gutes und lass darüber berichten» funktioniert in Bern unglaublich gut. Die «Klimajugend» schrieb am letzten Dienstag in einem Aufruf «Liebe Klimastreikende, heute werden wir Geschichte schreiben. Die Aufmerksamkeit in den Medien und Sozialen Medien war so hoch, wie schon sehr lange nicht mehr. Die politischen Spannungen zwischen der Stadt Bern und dem nationalen Parlament sind sehr hoch, diese streiten sich öffentlich, wie mit unserem schönen Camp umzugehen sei.»
Das Vorgehen ist hoch professionell. Das Verhalten der gelobten Stadt Bern
extrem unprofessionell, um das einmal zurückhaltend auszudrücken. Die Stadtbehörden wissen, dass die Besetzung des Bundesplatzes illegal ist, und die «Klimaaktivisten» sagen es offen in jede TV-Kamera, und davon gibt es viele. Sie meinen, sich über das Gesetz erheben zu können, weil ihr Anliegen so erhaben ist. Und die Stadtregierung scheint diese Meinung weitgehend zu teilen. Und sie scheint die «politischen Spannungen» ebenfalls zu geniessen.
Aristokraten
Wir leben in einer Demokratie, in der die Mehrheit direkt oder indirekt bestimmt, was gilt, was erlaubt, was vorgeschrieben und was verboten ist. Bei einer aristokratischen Ordnung ist das nicht so. Mindestens seit Aristoteles besteht der Kern der Aristokratie in der Herrschaft der Besten oder Tugendhaftesten. Die «lieben Klimastreikenden» sehen sich offensichtlich als Vertreter einer so verstandenen Aristokratie. Für die «lieben Klimastreikenden» ist die Demokratie ein Klacks gegenüber der Rettung des Planeten.
Der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried gehört als Berner Patrizier zur echten Aristokratie der Bundesstadt. Seine Familiengeschichte reicht weit zurück bis in die Zeit des Rütlischwurs. Der Stadtpräsident, Mitglied der grünen freien Liste der Stadt, hat deutlich seine Sympathien für das Anliegen der «Klimajugend» gezeigt, wenn vielleicht auch nicht für das Vorgehen.
Das Ultimatum
Der Stadtpräsident und seine Regierung haben den «lieben Klimastreikenden» mehrfach ein Ultimatum für die Räumung des Platzes vor dem Bundeshaus gestellt. Ein Ultimatum ist eine auf diplomatischem Wege erfolgte und befristete Aufforderung, eine Angelegenheit befriedigend zu lösen unter Androhung harter Gegenmaßnahmen, falls die Gegenseite nicht Folge leistet.
Der Stadtpräsident wusste, dass die Besetzer das Ultimatum nicht befolgen würden. Er hat den Platz lange nicht räumen lassen. Er hat das Spiel mitgespielt. Warum, ist nicht klar. Die Besetzer wollten ja, dass sie weggeräumt würden, sie suchten die Opferrolle. Es geht nicht um das Klima, es geht darum, sich der bestehenden Ordnung zu widersetzen, die demokratische Ordnung zu verhöhnen, und damit die grösstmögliche Publizität zu erhalten. Leider muss man sagen: Ziel erreicht.
Petkovic als Stadtpräsident
Dass der Stadtpräsident und seine Regierungskolleginnen und Kollegen am Mittwoch in der Frühe den Platz durch die Polizei dann doch endlich räumen liessen, hängt vielleicht mit den nächsten Wahlen zusammen. In der Stadt müssen sich Ende November Parlamentarier und die Regierung den Wählern stellen. Etwas symbolischer Respekt vor der demokratischen Ordnung und dem geltenden Recht macht sich da sicher nicht schlecht.
Der Stadtpräsident von Bern sagte nach der Räumung des Bundesplatzes im Interview mit BlickTV, er fühle sich wie Nati-Trainer Petkovic. Mit Verlaub, der Vergleich ist total daneben. Wäre Petkovic Stadtpräsident, würde die Bundesstatt keinen so elenden Eindruck machen.
Was ist eigentlich los in Bern?
Mit Recht und Ordnung steht es in der Bundeshauptstadt auch sonst nicht zum Besten. Wer kriminell ist oder sich sonst nicht an Gesetz und Ordnung halten will, aber trotzdem von den Vorzügen der demokratischen Ordnung, des Rechtsstaates und dem Zustupf der Steuerzahler profitieren will, ist in der Reitschule bestens aufgehoben.
Für Nicht-Berner ist es unerträglich, dass in der Reitschule, in der weder geritten noch Schule gegeben wird, ein rechtsfreier Raum entstanden und von den Behörden toleriert, wenn nicht gar gefördert wird. Mit kräftiger Unterstützung aus der Reitschule wurde jetzt für einige Tage direkt vor dem Bundeshaus ein zweiter rechtsfreier Raum geschaffen.
Befiehlt, wer zahlt?
Vielleicht sind die Aristokraten zu Bern einfach verwöhnt. Der Kanton bezieht pro Jahr 1’100 Millionen Franken aus dem Finanzausgleich, mehr als tausend Franken pro Kopf. Zürich steuert etwa die Hälfte des Betrages bei.
Vielleicht sollten wir Bern etwas kritischer anschauen und behandeln, allerdings nicht durch eine illegale Besetzung des Bundesplatzes durch Zürcher Steuerzahler. Uns bleibt nur der demokratische Weg, da wir nicht zur aristokratischen Gilde der Besten oder Tugendhaftesten gehören.
BRISANT-Newsletter vom 25.09.2020 herunterladen (PDF)