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Kabul has fallen

Mitten in der Lethargie des Sommers wird die Welt überrascht. Innerhalb von nur sechs Tagen fällt ganz Afghanistan, inklusive die afghanische Hauptstadt Kabul, in die Hände der von China unterstützten islamistischen Taliban-Milizen. Sämtliche Einheiten des nordamerikanischen Militär- und Nachrichtendienstes versagen kläglich.

Wie ein schlechter Film endet die Präsenz der Amerikaner in Kabul: Per Hubschrauber werden die Mitarbeitenden der US-Botschaft mitten in einem unbeschreiblichen Chaos vom Dach des Gebäudes zum Flughafen evakuiert.

Während des Falls von Saigon nach dem Vietnamkrieg im Jahr 1975 spielten sich haargenau die gleichen Szenen ab. «Tiger, Tiger, Tiger» – die codierte Durchsage des Hubschrauber-Piloten für  «US-Botschafter  samt  Flagge an Bord» beenden zwanzig Jahre Präsenz der Amerikaner in Afghanistan. Ironie der Geschichte: Derselbe Hubschraubertyp wurde damals auch in Saigon eingesetzt.Afghanistan zeigt, wie der geostrategische Verteilkampf momentan ausgeht: Für China die Rohstoffe, für Europa die Flüchtlinge, für die USA die Schmach der Niederlage. Dies kann so nicht auf Ewigkeit weitergehen.

Die Falle von Thukydides: Athen gegen Sparta

Der griechische Historiker Thukydides beschrieb im 5. Jahrhundert vor Christus, was geschieht, wenn eine aufsteigende Macht die bisherige Vormacht einer andern Grossmacht zu überholen droht: «Es waren der Aufstieg Athens und die Furcht, die das in Sparta auslöste, was den Peloponnesischen Krieg unausweichlich machte.» Graham Allison von der Universität Harvard hat anhand des Thukydides sechzehn verschiedene historische Rivalitäten der letzten 500 Jahre untersucht und ist zum Schluss gekommen, dass nur in vier Fällen kein Krieg ausbrach. Daraufhin schrieb er das Buch «Können Amerika und China der Thukydides-Falle entkommen?» Die Antwort vorweg: eher nicht.

Seit China im Jahr 1978 unter Deng Xiaoping die Wirtschaftsreform einläutete, fand ein unaufhaltsamer Aufstieg statt. Von einem bitterarmen Entwicklungsland hat sich China zu einer wirtschaftlichen Supermacht entwickelt. Mit einem Anteil von 15 Prozent an der Weltwirtschaft im Jahr 2017 lag China auf Platz zwei hinter den USA mit 24 Prozent. Im Jahr 2050 wird China wohl die Nummer eins sein. Eine derartige Verschiebung der wirtschaftlichen Gewichte hat stets politische Auswirkungen auf der Weltbühne.

China investiert massiv in militärische Schlagkraft

Seit 1995 hat China seine Militärausgaben um das 14-fache erhöht. Es investiert massiv in den Aufbau einer schlagkräftigen Kriegsflotte. Der ehemalige Nato-Oberbefehlshaber, ein US-Admiral namens John Stavridis, geht davon aus, dass China in den nächsten zehn Jahren über mehr Schiffe verfügen wird als die USA.

China investiert auch intelligent in neue militärische Technologien wie Ultraschallraketen, Mikro-Angriffsdrohnen und eine Cyber-Armee, welche verheerende, von künstlicher Intelligenz gesteuerte Hackerangriffe auf fremde Staaten durchführen kann. Hackerangriffe welche Elektrizitätsnetze zusammenbrechen lassen, Spitäler lahmlegen und internationale Zahlungssysteme ins Chaos stürzen können.

China hat zugeschaut, wie sich die USA in Irak und Afghanistan eine blutige Nase geholt hat – und hat daraus gelernt. Der künftige Grosse Krieg wird sich anders abspielen müssen. Dermassen anders, dass niemand darauf vorbereitet ist – ausser China.

Die Zukunft ist nicht die Gegenwart

Wer hätte sich jemals vorstellen können, dass eine Gruppe von Saudi-Terroristen mittels Flugzeugen das World Trade Center in New York zum Einsturz bringen könnte? Wer hätte an Weihnachten 2019 geahnt, dass sich die Welt ein paar Monate später im Chaos einer rational nicht fassbaren Pandemie befinden würde?

Ein Grossteil der Menschen denkt, die Zukunft sei ähnlich wie die  Gegenwart,  doch  sie  irren  sich. Wir müssen lernen, asymmetrisch zu denken und auch die unwägbarsten Szenarien in Betracht ziehen, insbesondere, wenn es um China geht und das chinesische Streben nach einer Weltvorherrschaft.

Auch sollten wir endlich begreifen, dass China eine solche Weltvorherrschaft wirklich will – anders lässt sich die massive militärische Aufrüstung und die gezielte Expansion des Machtanspruchs nicht erklären.

Multilaterale Feindschaften

China hat sich am Himalaya mit Indien angelegt, im Südchinesischen Meer mit den Philippinen, im Chinesischen Meer mit Japan, und es droht Australien offen wegen dessen Bereitschaft, im Falle einer Invasion von Taiwan einzugreifen.

Ebenso wurden kanadische Geiseln genommen, um die Herausgabe der verhafteten Huawei-Erbin durchzuboxen. Ausserdem hat sich China mit dem hinterhältigen Gebahren in Sachen Sars-Covid-19 mit dem ganzen Globus angelegt. Man bemerke: Diese multilateralen Feindschaften sind dem chinesischen Regime egal, denn es strotzt nur so vor Aggressivität und Selbstvertrauen.

Wissen, wo man steht

Die Schweiz ist neutral und muss dies auch in Zukunft bleiben. Die Schweiz sollte sich jedoch kritisch mit den grundsätzlichen Parametern einer Beziehung zu den zwei Supermächten China und USA auseinandersetzen. China ist weder eine Demokratie noch ein Rechtsstaat, dies wurde mehrmals im Laufe der letzten Jahre bewiesen.

So sah sich der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) gezwungen, vor der Infiltration von chinesischen Spionen an Schweizer Universitäten in Form von chinesischen Studenten, Doktoranden und Wissenschaftern zu warnen. China geht sehr raffiniert vor, um die Früchte von Schweizer Forschung und Entwicklung auf illegale Art und Weise abzusaugen.

Es ist daher ratsam, die enorme Naivität im Umgang mit China abzulegen und eine kritische Distanz einzunehmen. Dieselbe kritische Distanz, welche im Umgang mit der Supermacht USA bestehen sollte.

von Isabel Villalon

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Publiziert von Schweizerzeit

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