Sieg auf der ganzen Linie

Die Stimme des Sprechers überschlug sich nahezu, als er in nicht enden wollender Lobeshymne den grossen, den unglaublichen, den von niemandem je erwarteten Sieg lauthals in alle Wohnungen der Schweiz verkündete.
Beim lauthals diesen grossen Sieg verkündenden Triumphator handelte es sich um den SRF-Radiosprecher in der Morgensendung vom Montag, 22. Mai 2023. Unversehens dazustossend, hatte man zunächst Mühe, überhaupt zu erfassen, welch bahnbrechendes Ereignis der so überschäumend vorgetragenen Siegesmeldung zugrunde lag.
Der Sieg
Mit der Zeit verstand man: Der errungene Sieg galt der Biodiversität – der Wiederbelebung oder Wiederanpflanzung angeblich oder tatsächlich bedrohter Pflanzen in unserem Land. Dazu, so erfasste man als zufälliger Zuhörer mit der Zeit, hat das Schweizer Radio offenbar vor Wochen oder Monaten einen Aufruf erlassen: Die Hörer möchten in den Blumenkistchen an den Geländern ihrer Balkone oder auch in ihrem «Pflanzplätz» doch bewusst bestimmte Pflänzchen aufziehen, die in den letzten Jahren der rasenden Überbauung des schweizerischen Mittellandes hätten weichen müssen, so dass sie jetzt dem Aussterben ausgesetzt seien.
Offenbar war es Radio SRF gelungen, Meldungen einzusammeln, welche die erfolgreiche Aufzucht solcher in unserem Land selten gewordener Pflanzen auf Balkonen schweizerischer Mammut-Überbauungen dokumentierten.
Einen Sieg auf der ganzen Linie, glaubte der sich an seiner eigenen Erfolgsverkündung selbst begeisternde Radio-Mann aus diesen Berichten herauslesen und feiern zu können.
Zurück zur nüchternen Betrachtung
Wir zweifeln nicht, dass solche Aufzuchterfolge an Balkongeländern da und dort in der Schweiz Tatsache geworden sind. Und selbstverständlich darf auch verkündet werden, dass in Hochhäusern mit vielleicht sechzig je mit Balkonen ausgestatteten Wohnungen einige Pflänzchen mehr gezogen worden sein können als das in einem nüchternen Sechsfamilienhaus aus den Sechzigerjahren möglich ist.
Daraus aber den «Sieg der Biodiversität» in der Schweiz abzuleiten und in überschäumender Begeisterung zu feiern – dazu muss man schon Radio-Schnorrer jener Kategorie sein, bei welchem das Denken frühestens dann einzusetzen pflegt, wenn ihnen ob der uferlosen Erfolgsverkündung einmal der Atem ausgeht.
Als ob die Vermehrung der Einwohnerschaft der Schweiz von hundertachtzigtausend Menschen in einem einzigen Jahr (2022!) irgend so etwas wie einen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität geleistet hätte. Diese Zuwanderer würden, reden sich die Propagandisten der (vom Schweizer Souverän bereits 2014 abgelehnten) Masseneinwanderung heraus, neuerdings «verdichtet» wohnen. Tatsächlich werden sie zu Hunderten in Betonbauten gepfercht, was angeblich Grünflächen verschone. Aber all diese neuen Wohnsilos, welche diese Hundertschaften neuer Einwohner zu beherbergen haben, stehen offensichtlich auf ehemaligen Grünflächen. Und die darin Eingepferchten entwickeln nicht selten Gelüste, ihre Freizeit nicht in ihren Käfigen zu verbringen, vielmehr allerlei Aktivitäten ausserhalb ihrer Wohnsilos ausleben zu wollen – was zweifellos weitere Grünflächen beeinträchtigt. Zunehmend werden für das Ausleben von Freizeitvergnügen, wie etwa für das Biken auch Wälder genutzt, die zuvor von menschlichen Freizeitaktivitäten verschont geblieben waren.
Grosswindanlagen
Neuerdings sollen auch – um die als Folge der Masseneinwanderung unmässig wachsende Bevölkerung noch mit Strom versorgen zu können – hunderte Grosswindanlagen in der Natur errichtet werden. Allesamt auf bisherigen Grünflächen, bevorzugt sogar in Wäldern. Für diese vielen hundert geplanten Anlagen sind Fundamente zu graben. Bis zu zwanzig Meter in die Tiefe! Die dafür ausgehobenen Mammut-Löcher sollen je mit weit über hundert Tonnen Beton aufgefüllt werden, auf dass die bis zu zweihundertfünfzig Meter hohen Anlagen mit rotierenden Propellern sicher verankert werden können. Entfernen wird man diese Betonklötze im Boden nie mehr, bloss zudecken. Aber von Biodiversität geprägte Wälder werden darauf nie mehr wachsen können.
Pro Grosswindanlage – insgesamt sollen weit über tausend in der Schweiz entstehen – ist je ein Feld zu roden, das grösser ist als ein Fussballplatz. Die gerodeten Flächen werden nicht bloss für den Bau solcher Anlagen benötigt. Vielmehr auch für deren Wartung. Es braucht Zufahrten für Vierzigtönner, die den Beton und den Stahl für Bau und Konstruktion der Riesenanlagen heranzukarren haben.
Wie viele Pflanzkistchen an Balkongeländern wird es wohl brauchen, um die Verluste an Biodiversität auszugleichen, die aus Bau und Betrieb der geplanten über tausend Grosswindanlagen resultieren?
Die Rotorblätter
Es kommt dazu, dass diese Anlagen über Rotorblätter aus speziellem Kunststoff verfügen, von dem heute niemand weiss, wie man ihn je wieder entsorgen kann. In Deutschland rät man, nicht mehr brauchbare Rotorblätter einfach zu vergraben. Aus den Augen, aus dem Sinn: Welch grossartiger Beitrag an den Erhalt der Biodiversität.
Die Rotorblätter für die bis zu zweihundertfünfzig Meter hohen Anlagen haben eine Länge von fünfzig Metern. Sie können nicht zerteilt werden. Sie müssen am Stück herantransportiert und – mit in den Wäldern zu errichtenden grossen Kranen – montiert werden. Für solche Transporte genügt ein Waldweg nie und nimmer. Da braucht es breite Transportpisten: Prost Biodiversität!
Irgendein Super-Schlauer hat dazu den Vorschlag unterbreitet, man solle die Rotorblätter doch nicht in Längsrichtung transportieren, man könne sie auch nach oben ragen lassen, auf dass kürzere Transportfahrzeuge eingesetzt werden können. Zum Glück – darf man dazu feststellen – gibt es in der Schweiz keine Tunnels. Und weit und breit auch keine Unterführungen! Und auch von Hochspannungsleitungen und Bahnübergängen mit Oberleitungen zur elektrischen Versorgung der Lokomotiven scheinen die Theoretiker der Propellertransport-Planungszunft noch nie etwas vernommen zu haben.
Unglaublich, was für Unsinn verbreitet wird, wenn es gilt, die Folgen der Kapitulation der politisch Verantwortlichen vor der Masseneinwanderung zu tarnen.
Das Waldgesetz
Der zuständige (grüne!) Zürcher Baudirektor äusserte – wenn auch verklausuliert – sogar Ideen, man könne zugunsten dieser unverzichtbaren, stromproduzierenden, die Umwelt massivst zerstörenden Grosswindanlagen ja das Schweizer Waldgesetz «etwas anpassen». Ganz Europa bewundert seit Jahrzehnten die Schweiz für dieses vor etwa hundertfünfzig Jahren geschaffene Waldgesetz, das Rodungen nur dann zulässt, wenn dafür einigermassen in der Nähe vollwertiger Waldersatz geschaffen wird. Der Eisenbahn-, der Autobahnbau, der Bau der Elektrizitätswerke und anderer grosser Infrastruktur-Anlagen erfolgte in der Schweiz in den letzten hundertfünfzig Jahren unter akribischer Respektierung dieses Waldgesetzes. Für die umweltzerstörenden Grosswindanlagen soll, meinen (grüne!) Angehörige der Obrigkeit, dieses Gesetz jetzt «aufgeweicht», in einer ersten Etappe also geschreddert werden – unermesslichen, nicht mehr korrigierbaren Schaden an der Umwelt anrichtend.
Herausforderungen, unakzeptable Entwicklungen, die Radio SRF allerdings nicht daran zu hindern scheinen, den Sieg der Biodiversität mit einem Wortschwall-Akrobaten am Mikrofon, errungen in einigen Balkon-Kistchen in Wohnfabriken verdichteter Hochhaussiedlungen, lauthals zu feiern.